Überdurchschnittlich ungerecht

PISA-Studie: Deutsche Jugendliche schneiden bei den Tests schlechter ab als vor drei Jahren / Schulerfolg hängt weiter stark von der Herkunft ab

Lesekompetenz, Mathematik, Naturwissenschaften: Seit 2000 vergleicht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) alle drei Jahre mit ihrer PISA-Studie die Leistungen der Fünfzehnjährigen in ihren Mitglieds- und Partnerstaaten. Die Ergebnisse für 2018 zeigen vor allem zwei Dinge: Deutschland schafft es einerseits nicht, zu den Besten aufzuschließen. Eher ist das Gegenteil der Fall. Andererseits gelingt es nicht, den Bildungserfolg von der ökonomischen Situation zu entkoppeln.

So liegen die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Deutschland in allen drei Bereichen zwar immer noch über dem OECD-Durchschnitt. Doch verschlechterten sich die Ergebnisse im Vergleich zu früheren Erhebungen. Die Leseleistungen, auf denen bei dieser Studie der Schwerpunkt lag, sind demnach »nach den in der ersten Zeit - bis 2012 - erzielten Verbesserungen 2018 wieder in etwa auf das Niveau von 2009 zurückgegangen. In Naturwissenschaften war die mittlere Punktzahl 2018 niedriger als 2006. In Mathematik lagen die Ergebnisse von PISA 2018 deutlich unter jenen von PISA 2012«, heißt es in dem Bericht.

Doch lägen »trotz ihres insgesamt überdurchschnittlichen Abschneidens die Schülerinnen und Schüler in Deutschland weit hinter den Spitzenreitern - vier chinesischen Provinzen und Singapur - zurück und auch der Abstand zu einigen OECD-Partnern ist groß«, heißt es.

Leistung von Herkunft abhängig

Unerfreulich überdurchschnittlich bleibt Deutschland im Bereich der Chancengleichheit. Der Schulerfolg hänge »weiterhin stärker von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler ab als im Durchschnitt der OECD-Länder.« Die Studienmacher kommen gar zu dem Ergebnis, dass sich seit der letzten Studie mit Leseschwerpunkt 2009 »beim Leseverständnis die Abhängigkeit der Leistung von der Herkunft noch verstärkt« habe. »Menschen mit niedrigen Basiskompetenzen laufen heute mehr denn je Gefahr, ausgegrenzt zu werden«, erklärte OECD-Vizegeneralsekretär Ludger Schuknecht bei der Vorstellung der Studie. »Die PISA-Ergebnisse sind deshalb eine dringende Aufforderung, in der Schule niemanden zurückzulassen, sondern allen Schülerinnen und Schülern die Kompetenzen zu vermitteln, die sie brauchen, um in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu bestehen.«

Mit diesen Ergebnissen leicht über dem Durchschnitt, »können wir nicht zufrieden sein«, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und fügte hinzu: »Andere Staaten ziehen an uns vorbei. Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein.«

Forderungen nach Gerechtigkeit

Für die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack zeigen die Ergebnisse, dass »Deutschlands Schulsystem auch fast zwei Jahrzehnte nach dem ersten «PISA-Schock» noch immer mittelmäßig und ungerecht« ist. Bei der sozialen Auslese belege »Deutschland einen traurigen Spitzenplatz«. Damit dürfe sich »die vermeintliche Bildungsrepublik Deutschland nicht zufriedengeben.« Als »beschämend« bezeichnet es Margit Stumpp, bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, dass »der Bildungserfolg in Deutschland nach wie vor stark vom Elternhaus abhängt«. Notwendig seien »eine bessere Förderung der schwächeren Schülerinnen und Schüler, die am stärksten unter dem segregierten Schulsystem und Lehrkräftemangel leiden, sowie grundsätzliche Qualitätsverbesserungen«. Statt Lippenbekenntnissen brauche es endlich eine konzertierte Aktion von Bund, Ländern und Kommunen, so Stumpp.

Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, findet: »Am schlechtesten im PISA-Test hat die Bundesregierung abgeschnitten. Sie ist maßgeblich für die Ungleichheit unserer Gesellschaft verantwortlich, die aus immer mehr Armen und immer reicheren Reichen besteht.« Seine Genossin Birke Bull-Bischoff forderte einen »Bildungsaufstand«. »Wie soll denn bei dem vorherrschenden Lehrkräftemangel, der sozialen Auslese, dem Unterrichtsausfall, überfüllten Klassen, fehlenden Schulen auf dem Land und in der Stadt eine gute Lern- und Lehrsituation entstehen?«, fragt die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern müsse »endlich komplett fallen und eine Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz verankert werden«, fordert Bull-Bischoff.

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