In der glühenden Hölle

  • Adrian Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer wissen will, wie die Welt künftig aussieht, wenn nicht die Nazis, sondern die Hipster gewinnen, möge nach Köln-Ehrenfeld reisen und eine Runde Schwarzlicht-Minigolf im Studio »Glowing Rooms« spielen. Ihm bzw. ihr sei gute Nerven angeraten.

Es ist ja das Markenzeichen der erfolgreichen Betriebe im Kapitalismus, Dinge, die eigentlich gut waren, so zu verändern, dass sie ungenießbar werden, und das dann als revolutionär und sexy und praktisch anzupreisen. Zum Glück vergessen die Konsumentinnen und Konsumenten die Ungenießbarkeit zuverlässig, und irgendwann sind die nervigen Neuerungen dann normal und man hält sie für gut; und, schwups, kommen schon wieder die nächsten Neuerungen.

Nun also Minigolf. Das, dachte ich, ist so hirnstreichelnd spaßig, dass ich es unbedingt bald wieder spielen musste. Dummerweise haben wir Winter und alle Plätze sind geschlossen. Weil ich jedoch erwachsen bin und Entscheidungen treffen kann, die ruhig auch mit dem Risiko der Unvernunft beladen daherkommen dürfen, habe ich meinen Begleiter mich und sich also kurzerhand bei der Indoorvariante anmelden lassen.

Die ist schwarzlichtbeleuchtet und kostet stolze zwölf Euro pro Person pro Runde. Aber warum nicht, ich habe ja eine wöchentliche Kolumne bei einer vermögenden Tageszeitung und verkaufe außerdem meinen Kot an Ur- und Frühgeschichtler für ihre Forschungen. Das Geld ist drin.

Wir betreten also das Firmengelände über einen langen, mit Kunstrasen ausgelegten Hausflur und erblicken eine Spindwand, auf der der Hinweis steht, an der Kasse gebe es Schlüssel dafür. Dort wiederum, um die Ecke, stehen fünf Hipster und ein Oberhipster, dessen Funktion, eine Funktion zu haben, man daran erkennt, dass er besonders schlecht gelaunt dreinschaut und ihm eine orangefarbene Mütze auf dem haarlosen Kopf schlabbert. »Ähm, gibt es hier die Schlüssel für die Schließfächer?« »Was ist das denn? Wie wär’s erst mal mit einem HALLO!?!?!« Ich brauche einen Moment, um das zu verarbeiten, da geht es auch schon weiter. »Und wann seid ihr überhaupt dran? Um vier? Das sind ja noch zehn Minuten, ihr seid viel zu früh! Setzt euch da hinten mal hin, und dann kommt ihr wieder, wenn ihr dran seid.«

Wir haben große Lust, mit den Schlägern nicht die Bälle in Löcher, sondern die Wände zu Kleinholz zu schlagen. Leider kommt uns unser euphorisches Temperament dazwischen. Wir spielen also natürlich brav durch auf mediokrem Bahnbelag, kurven dabei um drei Junggesellinnenabschiede herum und tippen die Ergebnisse, die man ja auch einfach mit einem Stift in einen Block eintragen könnte, wie das Menschen machen, stattdessen in einen I-Pod ein. »Man kann immer nur das vorletzte Ergebnis noch korrigieren, wenn ihr euch vertippt habt. Die davor nicht mehr. Damit ihr euch nicht übers Ohr haut.«

Der Laden hat viereinhalb Sterne bei Google und ist ständig ausgebucht. Ich glaube, die schlechte Laune ist auf dem Vormarsch, und das sich bei sonntäglichen Vergnügungen gegenseitig Betrügen sowieso.

Dieser Text ist also eine Zeitdiagnose, und man müsste weiterspinnen, aus welchen Körperempfindungen und Gefühlen dieses offenbar weit verbreitete Bedürfnis nach so viel Schwachsinn kommt. Vielleicht könnten solche Überlegungen die Grundlage dafür liefern, dass die Nazis nicht gewinnen, auch nicht die Hipster, sondern irgendwer Drittes, Sympathisches. Dieser Text ist aber zugleich ein gepfefferter Verriss des Schwarzlichtminigolfstudios »Glowing Rooms« in Köln-Ehrenfeld, von dessen Besuch ich hiermit jedem und jeder ernsthaft abraten möchte.

Danke. Das hat gut getan.

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