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Mit Hammer und Meißel an die Spitze
Norbert Walter-Borjans kennt sich mit hartem Werkstoff aus.
Angeblich war es ja ein Duell zwischen ihm und Olaf Scholz. Als seien Klara Geywitz und Saskia Esken nur Beiwerk für die eigentlichen Kandidaten gewesen. Die schauten auf Scholz und ihn - Norbert Walter-Borjans. Doch wenn sich die Kandidatenteams gegenüberstanden auf einer der 23 Regionalkonferenzen, dann war nicht er es, der für das Duo das Wort führte. Der die Forderungen der beiden auf den Punkt brachte. Das tat sie, Saskia Esken. Sie haben den Zweikampf für sich entschieden. Nun stehen sie an der Spitze der SPD mit dem erklärten Ziel, die in 20 Jahren eingebüßte Glaubwürdigkeit der Sozialdemokraten zurückzuerobern. Wenig Messbares ist verfügbar, das dafür Gewissheit böte.
Sicher, Norbert Walter-Borjans hat einen bundesweiten Ruf erlangt als nordrhein-westfälischer Finanzminister, als er in seiner Amtszeit bis 2017 den Kampf gegen Steuerbetrug zu seinem Markenzeichen machte und mehrfach CDs mit den Daten mutmaßlicher Steuerbetrüger kaufte, um sie der Justiz zugänglich zu machen. Er trat für die Finanzierung einer präventiven Sozialpolitik ein und sorgte für steuerliche Gleichstellung schwuler und lesbischer Paare in seinem Bundesland. Trotzdem war Walter-Borjans im angeblichen Männerduell mit Olaf Scholz von vornherein die Rolle des Neulings zugedacht, des Anfängers, der sich da etwas anmaßend mit dem Profi anlegte. Außenseiter gegen Platzhirsch. Auch Scholz bemühte sich, es so aussehen zu lassen.
Walter-Borjans selbst hatte bisher keine Ambitionen für Berlin erkennen lassen. In Köln-Sülz wolle er gern alt werden, erklärte der 67-jährige, vierfache Familienvater irgendwann freimütig. Hier habe er alles in Rollator-Nähe - Sparkasse, Apotheke, Supermarkt und die Kneipe. Tatsächlich ist der Rheinländer auf den ersten Blick der zurückhaltende Teil des neuen Führungsduos. Nowabo, wie Walter-Borjans der Sprachökonomie zuliebe und vielfach freundschaftlich genannt wird, klang in den letzten Monaten immer ein klein wenig weniger entschlossen, wenn es um die Frage ging: Muss die SPD raus aus der Großen Koalition? Er glaube nicht, dass die GroKo eine Chance habe, das Ende der Wahlperiode zu erreichen, hörte man ihn da mehrfach sagen. Aber dieses Ende selbst herbeizuführen, soweit wolle er auch nicht gehen.
Nicht Hals über Kopf die Koalition verlassen, das ist ein Satz Walter-Borjans. So ähnlich hörte man es zuletzt auch von Kevin Kühnert. Der Juso-Vorsitzende ist einer der bekennenden Unterstützer des Duos Esken/Walter-Borjans und hatte nicht nur dank seiner Rolle in der Öffentlichkeit, sondern auch kraft der Juso-Gemeinde entscheidenden Einfluss auf den Ausgang des Mitgliederentscheids. Neben dem Landesverband von Walter-Borjans. Nordrhein-Westfalen stellt den mitgliederstärksten Verband auch in der SPD.
In allen Parteien ist dies ein entscheidender Machtfaktor. Doch Walter-Borjans wird mehr brauchen als eine gute Vernetzung. Die Erwartungen sind riesig. Die SPD zu einen, erklärte er wie Esken zum gemeinsamen ersten Ziel. Und einen deutlichen Wechsel, ein Zeichen, dass die Zeiten sich ändern, erwarten die SPD-Mitglieder, die dem Duo ihre Stimme gaben. Möglicherweise kommen Walter-Borjans verdeckte Tugenden zu Hilfe. Schon als Minister in Düsseldorf bearbeitete er in seiner Freizeit harten Stein. Marmor, um genau zu sein. Mit Hammer und Meißel näherte er sich dem verborgenen Wesen seines Werkstücks - Kraftakt mit Erholungseffekt. Das Ergebnis sind Skulpturen, die in Schulen oder Sparkassen ausgestellt wurden. Er stamme aus einer Handwerkerfamilie - der Vater Schreiner, die Mutter Schneiderin, ließ Walter-Borjans das staunende Publikum wissen. Und kreativ sei er immer gern gewesen. Das könnte von Nutzen sein ...
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