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Angriff auf ein Heiligtum
Bundestag debattierte Antrag der LINKEN zur Abschaffung der Schuldenbremse
Ein »nationales Heiligtum« stellte die LINKE mit ihrem Antrag in Frage, in dem sie fordert, die Schuldenbremse zu streichen und sie durch die »Goldene Regel« der Finanzpolitik zu ersetzen. Dieser Regel zufolge dürfen die Einnahmen aus Krediten (vulgo Schulden) die Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Das Wort vom nationalen Heiligtum gebrauchte in der Debatte über den Antrag der LINKEN am Donnerstag deren Finanzpolitiker Fabio De Masi. Und er berief sich zur Begründung auf jüngste Forderungen des Bundesverbands der Deutschen Industrie wie auch des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Die abflauende Konjunktur in Deutschland treibt beide um, BDI wie DGB. In Sorge um Gewinne wie in Sorge um Arbeitsplätze, aber gemeinsam. Und gemeinsam auch mit der LINKEN, wie Fabio De Masi genüsslich ausmalte. »BDI und die LINKE streiten Seit’ an Seit’ für vernünftige Wirtschaftspolitik - was für verrückte Zeiten!«
Führende Wirtschaftswissenschaftler weisen seit einiger Zeit darauf hin, dass die Negativzinsen auf deutsche Staatsanleihen besonders günstige Bedingungen für den Staat schaffen. Er muss unter diesen Bedingungen weniger zurückzahlen, als er an Krediten aufgenommen hat. Es sei, »als ob der Staat Geldscheine auf dem Bürgersteig liegen lässt, statt sie aufzuheben«, zitierte Fabio De Masi ein Argument aus deren Gilde.
Deutschland verzeichne einen im internationalen Maßstab massiven Investitionsstau und fahre die öffentliche Infrastruktur auf Verschleiß, heißt es im Antrag seiner Fraktion. Bei der Investitionsquote - Investitionen im Verhältnis zur Wirtschaftskraft - liegt Deutschland unter den Industrienationen auf Platz 30 von 38, kritisierte De Masi. »Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde. Wir müssen doch Spitze sein bei öffentlichen Investitionen, nicht Schlusslicht«, so der Politiker.
Bei den Fraktionen der Großen Koalition konnte er damit dennoch keine Zustimmung erhoffen, sowieso nicht bei der FDP, die in einem eigenen Antrag gar eine Verschärfung der Schuldenbremse anstrebte. Allerdings findet die LINKE bei Teilen der SPD immerhin ein offenes Ohr. Zwar werde man den Antrag ablehnen, kündigte Michael Schrodi an. Jedoch werde man sich damit beschäftigen. Eine Schuldenbremse dürfe keine Zukunftsbremse sein, stimmte auch SPD-Finanzpolitiker Andreas Schwarz zu. Doch derzeit gibt es nach Schwarz’ Ansicht keinen Grund für übertriebene Sorgen. Krisen entstünden immer zuerst im Kopf, meinte er. Für die Opposition sei das Ausmalen von Krisen Hauptbeschäftigung; die Koalition hingegen versuche verantwortungsvolle Politik zu machen.
»Wir bekommen das Geld gar nicht ausgegeben«, insistierte Andreas Schwarz wie vor ihm bereits auch Eckhardt Rehberg von der CDU. Die Bauwirtschaft sei längst ausgelastet, bereitgestellte Investitionsgelder würden gar nicht abgerufen. Rehberg sah Kritiker der letzten Zeit gar im Vollrausch. Früher hätten Linke für Gerechtigkeit gekämpft, heute kämpften sie für Schulden. Rehberg plädierte lieber für Steuersenkungen für die deutsche Wirtschaft, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dem widersprach dann auch sein Koalitionspartner Schrodi. Auf der einen Seite Steuersenkungen und auf der anderen eine Erhöhung der Ausgaben zu beschließen, das sei Magie. »Schwarze Magie«, ergänzte er.
LINKE, Grüne und Teile der SPD riefen letztlich zum Rechtsbruch auf, meinte Rehberg unter Hinweis auf das Grundgesetz, in dem die Schuldenbremse aufgeschrieben ist. Anja Hajduck bewies wenig später, dass er damit zu grob ausgeteilt hatte. Für die Grünen trat sie dafür ein, die Schuldenbremse weiterzuentwickeln. Eine »zu schlichte Polarisierung« der LINKEN, wie sie sie in der Forderung der LINKEN nach einer Abschaffung der Schuldenbremse sieht, lehnte Hajduck ab. Dies führe nicht automatisch zu Investitionen und gefährde womöglich künftige finanzielle Sicherheit. Unter Umständen könnten Investitionen jedoch auch über Kredite vernünftig sein. Die AfD sorgte sich um deutsche Neuverschuldungen wegen vermeintlich verfehlter EZB-Politik, weshalb sie den FDP-Antrag besser, aber längst nicht scharf genug fand.
In einem zweiten Antrag hatte die LINKE für die Einführung einer Investitionspflicht plädiert. Der Zustand der öffentlichen Infrastruktur und Berechnungen diverser Institutionen zum Investitionsstau belegten, dass ein solcher Schritt notwendig sei. Der Bundestag beschloss, beide Anträge an den zuständigen Haushaltsausschuss zu verweisen. Der Antrag der FDP wurde mit der Mehrheit des Hauses gleich abgelehnt.
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