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Erdoğan gegen den General
Philip Malzahn darüber, wie der Bürgerkrieg in Libyen zu einem Tauziehen zweier Machtmänner wurde
In Libyen eskaliert die Lage weiter, mit schuld ist auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der mit seiner offensiven Machtpolitik alle längst erhitzten Gemüter im Land endgültig zum Kochen bringt. Seinen Rivalen Khalifa Haftar oder, wie Erdoğan ihn gerne nennt, den »Banditen«, hat er mit seinem Vorgehen maßlos provoziert. Die Libysche Nationale Armee unter General Haftar hat nun eine neue gewaltige Offensive auf die Hauptstadt Tripolis angekündigt.
Der türkische Präsident unterstützt, wie auch die EU und das Golfemirat Katar, die Nationale Einheitsregierung (GNA) mit Hauptsitz in Tripolis. General Khalifa Haftar versucht seit April, diese zu stürzen. Doch trotz Unterstützung aus Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten will ihm das einfach nicht gelingen. Bei der anhaltenden Offensive sind bereits Tausende gestorben, die Frontlinie verläuft mitten durch die Vororte der Millionenstadt.
Während sich die EU und Katar weitestgehend mit ihrer Unterstützung für die GNA im Hintergrund halten, geht Erdoğan aufs Ganze. Der türkische Präsident sieht in Libyen den Schlüssel zu seinem umstrittenen Vorhaben, im Mittelmeerraum Gasbohrungen durchzuführen. Dazu wurde am 27. November ein Abkommen unterzeichnet, mit dem beide Länder ihre Hoheitsgebiete im Mittelmeer durch einen 35 Kilometer breiten Korridor zusammenführten. Die griechische, die zypriotische Regierung aber auch Haftar reagierten erbost. Am Dienstag legte Erdoğan noch mal nach und verkündete, er könne sich durchaus vorstellen, türkische Bodentruppen in Libyen zu stationieren, um die Interessen der dortigen Regierung zu schützen.
Die Antwort des Generals auf die Drohungen aus Ankara war ebenso drastisch: »Die Stunde null hat geschlagen«, sagte der libysche General Haftar in gewohnt selbstbewusster Manier in einer Fernsehansprache am Donnerstag, »heute verkünden wir den entscheidenden Kampf, um unsere Hauptstadt zu befreien ... Vorwärts, ihr Helden!« Haftars Argument ist, dass er das Land von religiösen Extremisten befreien will, die unter anderem von der Türkei finanziert werden. Dass der General, der lange für die CIA gearbeitet hat, es ausgerechnet jetzt schaffen wird, Tripolis zu erobern, obwohl er das schon seit acht Monaten versucht, ist zu bezweifeln. Sicher ist, dass das Land durch das Tauziehen der beiden Männer weiter ins Chaos gestürzt wird. Leidtragende sind die Bevölkerung und die Tausenden Migranten, die auf dem Weg nach Europa Libyen durchqueren. Denn es ist zwar nicht sicher, wer den Krieg gewinnt, doch dass Menschen sterben werden, das ist es. Leider.
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