«Bella Germania» ist nicht bella

Das waren die zehn wichtigsten Formate im Fernsehsumpf 2019

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.

Fernsehen - auch 2019 war das ein Synonym für Serie und umgekehrt. Die wachsende Zahl solventer Videoportale steckte Unsummen ins neue Kino, dem das lineare Angebot nur hinterher hecheln konnte, weshalb selbst Spielfilme gestreamt oft besser sind als gesendet.

Bleibt das Kerngeschäft: News, Sport, Shows und natürlich Krimis - wobei selbst letztere digitalen Druck bekommen. Das ablaufende TV-Jahr sei hier in zehn Formaten gewürdigt, die längst nicht mehr ausschließlich auf der großen Glotze laufen.

1. «Der Pass», Sky

Wenn polarisierte Polizeiduos Ritualmörder jagen, steckt man tief im deutschen Krimiallerlei. Dass «Der Pass» so brilliert, lag also nicht nur an Julia Jentsch und Nicolas Ofczarek bei der alpinen Psychopathenjagd, sondern an Österreichs Einfluss auf Sky, der nebenbei David Schalkos Remake von «M - Eine Stadt sucht einen Mörder» auf RTL Now zum Ereignis machte.

2. «Bella Germania», ZDF

Sind deutsche Serien linear, heißen sie oft Dreiteiler oder noch schlimmer: «Bella Germania». Als würde die Heide noch grünen, klebt das Gastarbeitermelodram des ZDF zähe 270 Minuten im Eskapismus der blumigen 50er, dem die ARD zudem reihenweise «Reiterhof Wildenstein» beigemengt oder mit «Lotte am Bauhaus» zum Jubiläum die Hochkultur eingeseift hat.

3. «The Irishman», Netflix

Wie soll das gebühren- oder werbefinanzierte Fernsehen auch mit 159 Millionen Dollar konkurrieren, die Netflix in Scorseses Mafiaepos «The Irishman» mit De Niro und Pacino steckt? Oder mit Soderberghs Finanzdrama «The Laundromat»? Oder mit Baumbachs liebeswunder «Marriage Story»? Alles internationales Fernsehkino, alles dramaturgische Grenzsprenger, alles unerreichbar.

4. Rampensau, Vox

Dabei zeigen die Kleinen, wie viel mit wenig Aufwand erreichbar ist, allen voran Vox. Die stille Familienerzählung «Das Wichtigste im Leben» war dort im Juni ebenso hingebungsvoll wie zuletzt Jasna Fritzi Bauer als «Rampensau», die am Prekariat verzweifelt. Falls das ZDF mit dem Rosenkrieg «Merz gegen Merz» mal Kleines groß machte, lief es dagegen zur Nacht.

5. «Criminal», Netflix

Die Streamingmeisterwerke aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Daher sei nur ein digitaler Frischling im öffentlich-rechtlichen Revier erwähnt: In der famosen Netflix-Serie «Criminal» verhören Cops aus Frankreich, Deutschland, Spanien, England Verdächtige in identischer Kulisse. ARDZDF verzwergen sich dagegen wie üblich auf «Schwarzwald-» oder «Irland-Krimis».

6. «24h Berlin», Arte

Immerhin im Sachfilm bleiben zumindest die Öffentlich-Rechtlichen singulär. Das zeigten sie in teils herausragender Berichterstattung über GroKo, Klima, Brexit, AfD, die EU-Wahl, vor der besonders Arte zu glänzen wusste. Etwa als «24h Europe» dort die kontinentale Jugend in Echtzeit zu Wort kommen ließ und das Fluchtdrama «Eden» fiktional Betroffene jeder Art.

7. «Die Zerstörung der CDU», YouTube

Ältere Parteien und Sender pflegen noch immer ihren Online-Dünkel, doch seit Rezos «Zerstörung der CDU» kamen selbst Union und «Tagesschau» nicht mehr daran vorbei. Erstere reagierte daher mit dem lächerlichen Anti-Rezo Armin, letztere läuft nun in Kurzform bei TikTok, während ein virales Video aus Ibiza bewies, welche Umsturzkraft das Internet hat.

8. «Neo Magazin Royale», ZDFneo

Auch das ZDF hat einen Mann mit Umsturzqualitäten in der Personalakte. Klar: Jan Böhmermann. Am 11. Oktober zum Beispiel hat er die Hohenzollern als Hitlers Steigbügelhalter entlarvt. Doch damit dürfte es vorbei sein, wenn sein «Neo Magazin Royale» nach «inhaltlicher Überarbeitung» ab Herbst von der Nische zum royalen Hauptsender wechselt.

9. «Die Show zur Frau», One

Der Begriff «Frauenpower» mag so abgeschmackt sein wie «alte weiße Männer»: Doch als Gastgeberin der «Show zur Frau» (One) oder ihrer lustigen Joyn-Sitcom «Frau Jordan stellt gleich» macht es sich Kathrin Bauerfeindt mit ähnlich eigensinniger Kraft ungemütlich wie Palina Rojinski als neue Moderatorin des Fernsehfossils «Yo! MTV Raps» (fast) allein unter Männern.

10. «The Masked Singer, ProSieben

Die Überraschung 2019 liefert aber Pro7. Erst füllte der Mummenschanz »Masked Singer« das Sommerloch glaubhaft mit Gefühl, dann wurde »Queen of Drags« trotz Heidi Klum zum ergreifenden Fest unterhaltsamer Diversität. Zwischendurch zeigten Joko & Klaas Größe, als ihr Gewinn beim Duell gegen den Sender in 15 Minuten Sendezeit für Hilfsbedürftige bestand.

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