Papiermüll aus dem Internet

Weihnachten beschert dem Onlinehandel eine Unmenge an Rücksendungen und einen wachsenden Berg von Verpackungen.

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.

Die großen Onlinehändler wie Amazon oder Zalando bekommen in diesen Tagen viel Post. Denn der hohe Umsatz des Weihnachtsgeschäftes zieht viele Retouren nach sich: Hatte die Krawatte doch zu grelle Farben, waren die Handschuhe zu groß oder das Computerspiel doch das falsche. Dass über das Internet bestellte Ware meist kostenlos zurückgegeben werden kann, wird ausufernd genutzt. Laut Handelsforschungsinstitut EHI Retail Institute liegt die Retourenquote allein im Modebereich bei rund 40 Prozent - höher als bei allen anderen Waren. Bei Kleidung und Schuhen ist es demnach fast jedes zweite Paket.

In den USA gibt es wegen der Retouren nach Weihnachten gar einen »National Return Day«. So prophezeit der Paketdienst UPS für den 2. Januar 2020 den absoluten Höhepunkt in Sachen Retouren. 1,9 Millionen Rücksendungen im gesamten UPS-Netzwerk werden erwartet. Das sind 26 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei liegen die USA nicht ganz vorne im Retourenwahn. In Schweden etwa werden rund 60 Prozent der Waren zurückgeschickt. Nach Angaben des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel ist es in Deutschland jedes sechste Paket. Nach konservativen Schätzungen der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg wurden 2018 rund 280 Millionen Pakete zurückgeschickt. Den Forschern zufolge entspricht das rund vier Prozent der verschickten Pakete - auch wenn Onlinehändler etwa durch bessere Produktbeschreibungen versuchten, die Zahl der Retouren klein zu halten. In der Folge landeten fast 20 Millionen Artikel auf dem Müll.

Neuware landet in der Tonne

Doch nicht nur Retouren, auch nicht verkaufte Ware wird immer häufiger vernichtet. Laut einer aktuellen Recherche des Norddeutschen Rundfunks, dem die Umweltorganisation Greenpeace Unterlagen aus einem Amazon-Lager in Winsen an der Luhe zugespielt hatte, wird dort in der Vorweihnachtszeit ein- bis zweimal pro Woche ein Container mit unbenutzter und nicht versendeter Neuware abgeholt und zur Müllverbrennungsanlage nach Hamburg gebracht wird. Keine Retouren, sondern Neuwaren, die Amazon im Auftrag von Dritthändlern anbietet.

Neben den Retouren steigt durch den Onlinehandel auch der Verpackungsmüll. Wie das Umweltbundesamt (UBA) in einer Studie vom November zeigt, verursachten Wirtschaft und Verbraucher im Jahr 2017 etwa 226,5 Kilogramm Müll pro Einwohner, drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. 98,9 Kilogramm davon waren Pappe und Papier. Laut Umweltbundesamt: Tendenz steigend.

Dabei sind Pappe und Papier zwar umweltfreundlicher als Plastik, doch auch für die Herstellung wird viel Wasser verbraucht und CO2 erzeugt. Laut Statistischem Bundesamt erzeugte die Papierindustrie allein im Jahr 2016 rund 9,6 Millionen Tonnen CO2.

Das Einkaufen im Internet gilt dabei als der wesentliche Treiber für den wachsenden Papiermüll. Knapp 1,7 Milliarden Sendungen stellten die Zusteller der Paketdienste in Deutschland 2017 zu, heißt es im UBA-Bericht. Jede dieser Sendungen kam in einem Karton oder einer Versandtasche. »Im Onlinehandel wird meistens sehr viel mehr Verpackungsmaterial eingesetzt, da immer eine zusätzliche Umverpackung nötig ist«, erklärt Katharina Istel vom Naturschutzbund Deutschland im ZDF. »Hier muss ein Umdenken stattfinden, sowohl bei der Industrie, als auch bei den Verbrauchern«, fordert UBA-Verpackungsexperte Gerhard Kotschik.

Immerhin, in Sachen Vernichtung von Neuwaren will die Bundesregierung nach dem NDR-Bericht aktiv werden. Schon im kommenden Jahr soll eine »Obhutspflicht« für den Umgang mit Retouren und nicht verkaufter Neuware eingeführt werden. Dazu ist eine Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes geplant, wie Sprecher des Umwelt- sowie des Wirtschaftsministeriums bestätigten. Die Händler sollen dadurch angehalten werden, die Produktion stärker an der Nachfrage auszurichten. Vernichtung soll letztes Mittel werden: erst wenn ein Verkauf oder eine Spende nicht mehr möglich sei, etwa wegen einer Gefahr für die Gesundheit, soll sie erlaubt sein. Kritik an dem Vorschlag kam vom Experten für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg, Stefan Schaltegger. Er geht davon aus, dass der Onlinehandel dann »einfach neue Schlupflöcher sucht«. Im Hintergrund bestehe das Problem weiter, dass zu viele Produkte angeboten werden, sagte er im NDR. Der Betriebswirtschaftler schlägt stattdessen eine Produktion on demand vor, also nur auf Nachfrage. Die Forscher der Universität Bamberg plädieren stattdessen für eine Rücknahmegebühr von 2,95 Euro pro Sendung.

Und der Kunde selbst? Der sollte nur noch gezielt bestellen, empfiehlt etwa der Rat für Nachhaltige Entwicklung. Also nur das, was er auch wirklich behalten will.

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