SPD entdeckt die Bodenfrage

Parteispitze will mit einer neuen Steuer die Probleme auf dem Wohnungsmarkt bekämpfen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei ihren Versuchen, das sozialpolitische Profil der SPD zu schärfen, haben die beiden neuen Parteivorsitzenden der Sozialdemokraten nunmehr die Wohnungsfrage auf die Tagesordnung gesetzt. Verschärfte Regulierungen der Mieten im Bestand und der massive Ausbau des sozialen Wohnungsbaus entsprechen ohnehin der Beschlusslage der Partei, doch mit ihrem neuen Vorstoß wollen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans einer der Hauptursachen für Mietenexplosion, den Wohnungsmangel und die rasant steigenden Neubaupreise zu Leibe rücken: der Spekulation mit bebauten und unbebauten Grundstücken.

»Neben einem Ausbau des kommunalen Wohnungsbaus sollten wir auch den extremen Wertzuwachs von Grund und Boden in Deutschland ein Stück weit abschöpfen - etwa mit einer Bodenwertzuwachssteuer«, sagte Walter-Borjans den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Sonntag. Und im »Handelsblatt« betonte der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister, man wolle, »dass Grundbesitzer, die ohne eigenes Zutun durch die Umwidmung von Flächen in Bauland zu Multimillionären werden, ihrer Kommune einmalig einen Teil davon abgeben müssen«.

Handlungsbedarf ist nicht zu bestreiten. Oftmals werden Bauerwartungsland oder baureife Grundstücke von Investoren zu dem einzigen Zweck erworben, beim Weiterverkauf Renditen zu erzielen, die in begehrten Lagen binnen weniger Jahre hundert Prozent und mehr betragen können. Bei mit Mietshäusern bebauten Grundstücken verhält es sich ähnlich. Galten früher das 12- bis 14-Fache der zum Verkaufszeitpunkt eingenommenen Jahresnettokaltmiete als wohnungswirtschaftlich angemessener Preis beim Hausverkauf, so zahlen Investoren heutzutage in den Hotspots mitunter auch das 60-Fache oder mehr.

Die Folgen für die bisherigen Mieter liegen auf der Hand: Die Investition kann nur mit exorbitanten Mietsteigerungen oder der Umwandlung in Wohneigentum refinanziert werden, was für die angestammten Bewohner in zahlreichen Fällen den Verlust der angestammten Wohnung bedeutet. Oder das Haus wird in Erwartung weiter steigender Immobilienpreise für einige Jahre im Portefeuille des Investors »geparkt« und dann mit Gewinn erneut verkauft.

Eine Bodenwertzuwachssteuer könnte diese spekulativen Geschäftsmodelle unattraktiver machen. Bei unbebauten, aber baureifen Grundstücken sind zudem weitere »Daumenschrauben« möglich. In Tübingen erhalten Grundstücksbesitzer seit Mitte vergangenen Jahres die Auflage, sich verbindlich zu verpflichten, in spätestens zwei Jahren ein Baugesuch einzureichen. Bei Missachtung drohen Bußgelder. In letzter Konsequenz könnten auch Enteignungen folgen.

Die jetzt von der SPD ins Spiel gebrachte Bodenwertzuwachssteuer ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Doch sie würde bestenfalls einige Auswüchse eindämmen und den Kommunen zusätzliche Einnahmen bescheren, die dann in den geförderten Wohnungsbau investiert werden könnten. Die Verwertungslogik auf dem Immobilienmarkt bleibt im Kern jedoch unangetastet. Doch selbst mir diesem eher moderaten Vorstoß beißt die SPD in der Großen Koalition auf Granit, wie die ersten Reaktionen aus CDU und CSU verdeutlichen.

Mitte vergangenen Jahres wurden auf einer Konferenz der LINKE-Bundestagsfraktion von der wohnungspolitischen Sprecherin Caren Lay wesentlich weitergehende Vorschläge präsentiert. Sie forderte einen »Bodenpreisdeckel«, analog zu dem in Berlin geplanten Mietendeckel. Damit würde der Preis pro Quadratmeter auf einen Höchstwert festgelegt werden.

Und der Stadtsoziologe und frühere Berliner Staatssekretär Andrej Holm verweist in mehreren Veröffentlichungen auf das »Wiener Modell«, in dem bei öffentlich finanzierten oder geförderten Neubauprojekten sogenannte Widmungspreise für Grundstücke festgelegt werden, die sich an den Förderzielen und deren Finanzierungsrahmen orientieren. In vielen deutschen Großstädten ließen sich »mit den gängigen Förderprogrammen und der spekulativen Grundstückspreisentwicklung im Prinzip keine leistbaren Wohnungen mehr errichten«, sagte Holm in einem Interview mit der »Berliner Morgenpost«. Letztendlich sei »die Bodenfrage eine entscheidende Frage für das soziale Wohnen in der Stadt«.

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