»Komplett unsinnig!«

Die ausufernde Olympiaqualifikation der Volleyballer hat nicht viele Freunde. Sogar Europameister Serbien blieb in Berlin auf der Strecke

Ein Volleyballspiel ist erst zu Ende, wenn ein Team drei Sätze gewonnen hat. Das machte das Geschehen am Mittwochnachmittag in der Berliner Max-Schmeling-Halle so ungewöhnlich. Die Bulgaren hatten gerade erst ihren zweiten Satz gewonnen, und doch stürmten alle Trainer und Bankspieler jubelnd das Feld. Sie wussten: Zwei Sätze reichten nicht für den Sieg über Serbien, aber doch für die Halbfinalteilnahme beim Olympiaqualifikationsturnier in Berlin.

Am Ende gewann Bulgarien die Vorrundenpartie mit 3:2. Die Serben ließen die Köpfe hängen, denn ihnen war klar, dass sie nur bei einem sensationellen Sieg der Niederländer gegen Frankreich später am Abend weiter von Olympia träumen durften - und daran glaubte niemand mehr. »Das ist nicht unsere Halle, nicht unsere Stadt«, sagte der enttäuschte Außenangreifer Uroš Kovačević, nachdem er wie schon 2016 am selben Ort die Spiele endgültig verpasst hatte. Der Frust saß tief, und ein Schuldiger war schnell gefunden: der Weltverband FIVB. »Wir sind Weltranglistenvierter und Europameister und trotzdem zwang man uns wegen dieser dummen Regeln noch mal durch dieses Qualifikationsturnier. Das müssen wir für die nächsten Spiele unbedingt ändern«, ärgerte sich auch Mittelblocker Marko Podraščanin.

Der Qualifikationsmodus im Volleyball ist in der Tat ungewöhnlich. Welt- und Kontinentalmeister sind nicht automatisch in Tokio dabei. Alles geht über Qualifikationsturniere wie das in Berlin, wo sich gerade acht europäische Mannschaften um ein letztes Ticket streiten und an diesem Donnerstag die Halbfinals anstehen.

Selbst Belgiens Zuspieler Stijn D’Hulst zeigte Verständnis für die Serben: »Wäre ich Europameister, wäre ich auch enttäuscht über diese Regelung«. Dass sich Serbien auf den frisch errungenen EM-Titel berief, ist also nachvollziehbar. Allerdings hatte die Europameisterschaft 2019 nicht den allerhöchsten Wert. Die Olympiaqualifikationsturniere im August waren für viele die wahren Saisonhöhepunkte. Damals setzten sich Polen, Russland und Italien gegen Konkurrenten aus aller Welt durch - bei Turnieren, die sie sogar jeweils ins eigene Land geholt hatten. Auch die Bulgaren standen im heimischen Varna kurz vor der Olympiateilnahme, scheiterten nach einem vergebenen Matchball aber mit 2:3 an Brasilien. Serbien verlor übrigens gegen Italien.

Die EM im September sahen die meisten danach nur als Durchgangsstation oder - wie auch Deutschland - als Vorbereitungsturnier für den letzten Olympiaausscheid in Berlin. Und im Gegensatz zum deutschen Team hatte Serbien zwei Chancen, um nach Japan zu kommen.

Dass allerdings nicht einmal der Weltmeister automatisch in Tokio dabei ist, findet auch Sloweniens Vizeeuropameister Jani Kovačič »sehr merkwürdig. Ich hoffe, das ändert sich beim nächsten Mal, so dass die Teams bei Olympia dabei sind, die es wirklich verdienen.«

Der aktuelle Modus ist damit erklärbar, dass pro Geschlecht nur zwölf Nationen zu Olympia dürfen und die FIVB alle Kontinente repräsentiert sehen will. Also sind die Plätze für die dominierenden Teams aus Europa begrenzt. Manch eines muss daheimbleiben, während schwächere Mannschaften aus Afrika oder Asien in Tokio starten dürfen. Serbiens Uroš Kovačević hat dafür kein Verständnis. »Das sind zwar die Regeln, aber für mich sind sie komplett unsinnig! Wir mussten die besten Teams in Europa schlagen, wo nun mal der beste Volleyball gespielt wird«, monierte er.

Bei all dem spielt auch die Geldgier der Dachverbände eine Rolle, denn mit jedem neuen Turnier können TV-, Vermarktungs- und Ausrichterrechte verkauft werden. Also wurden verteilt auf Männer und Frauen insgesamt 22 Qualifikationsturniere angesetzt. Jedes Mal kommt nur der Sieger durch. Serbien gewann mit der EM einfach das falsche Turnier.

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