Fotoverbot für Antifaschisten

Anti-Nazi-Bündnis klagt gegen Ordnungsverfügung der Polizei / »Steeler Jungs« marschieren in Essen

Fast wöchentlich demonstrieren im Essener Stadtteil Steele extrem rechte Hooligans, Kraftsportler, Rocker und Neonazis. Als »Steeler Jungs« wollen sie seit zwei Jahren für Recht und Ordnung sorgen. Das Gegenteil ist der Fall: Auf ein Kulturzentrum im Stadtteil, das sich gegen Rechts einsetzt, wurde im vergangen Jahr geschossen. Die »Steeler Jungs« sind eine ernsthafte Gefahr für die dort wohnenden Menschen.

Deswegen wehren sich unterschiedliche Bündnisse gegen die »Spaziergänge« der Rechten. Kundgebungen, Feste und Demonstrationen werden veranstaltet. Kürzlich ist den Antifaschisten ein Coup gelungen: Sie können nun jeden Donnerstag auf der angestammten Route der Rechten demonstrieren. Schon vor Monaten hatten sie die Gegenproteste angemeldet. Das ärgert die »Steeler Jungs«. In der vergangenen Woche beschimpften sie vom Straßenrand die Aktivisten.

Die Donnerstage in Steele sind für die Polizei regelmäßig eine Herausforderung. Um die Situation zu entspannen, greift sie nun aber zu einer fragwürdigen Maßnahme. Dem Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« wurde am Donnerstag eine Ordnungsverfügung zugestellt, in der verboten wurde, »Gegendemonstranten, opponierenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern bzw. unbeteiligten Personen« zu fotografieren. Im Klartext: Die Antifaschisten sollen keine Fotos mehr von den pöbelnden Neonazis machen.

Begründet wird das Verbot damit, dass in der Vergangenheit Porträtaufnahmen angefertigt und veröffentlicht worden seien - angeblich ein Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz. Explizit nennt die Polizei in ihrer Verfügung die Broschüre »Antifa-Report 2019«, die von der »Antifa Essen West« am 30. Dezember veröffentlicht wurde, und darin enthaltene Bilder der Plattform »Recherche Nord«. In der 40 seitigen Broschüre finden sich drei Bilder von »Recherche Nord«. Bei einem handelt es nicht einmal um ein Portrait. Den Großteil der Fotos haben die Antifaschisten in den Social-Media-Profilen der Rechten gesammelt.

Die Polizei hält das Fotoverbot indes nicht für unverhältnismäßig. Dem »nd« teilte eine Sprecherin mit, dass es unerheblich sei, ob es in der Broschüre »zwei oder zwanzig Rechtsverstöße« gäbe. Bei der Demonstration will man Demonstranten ansprechen, die im Verdacht stehen, Neonazis zu fotografieren. Ein Blick auf die Kamera oder das Smartphone könne Abhilfe schaffen.

Das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« hat vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschwerde gegen die Verfügung eingereicht, diese wurde am Nachmittag abgelehnt. Nun strebt es die Klärung des Sachverhalts in einem Hauptverfahren an.

In der Vergangenheit hatte man bereits bei einem ähnlichen Vorgang Erfolg. Damals ging es darum, dass die Polizei keine Bilder von antifaschistischen Kundgebungsteilnehmern für ihre Social-Media-Kanäle verwenden darf. Eine entsprechende Klage wurde vom Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht positiv entschieden, so dass sich die Beamten zurückhalten müssen. Unter Essener Antifaschisten fragt man sich, ob das aktuelle Verbot eine Retourkutsche ist.

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