Das Jahr der Männer - und Frauen

Ministerin Franziska Giffey sagt Millionen Euro für Männerverbände zu

  • Lotte Laloire
  • Lesedauer: 4 Min.

Provozieren soll Franziska Giffey (SPD) gleich der erste Beitrag, nachdem die Ministerin am Dienstagmittag ihre Pläne für 2020 vorgestellt hat: Sie läute wohl ein »Männerjahr« ein, kommentiert eine süffisante Stimme. Der Anlass: Die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend will 2020 auch Männer fördern. Giffey begründet das so: Im Alter zwischen 15 und 35 Jahren sterben doppelt so viele Männer wie Frauen. Drei Viertel aller Suizide werden von Männern begangen. Drei Viertel aller Wohnungslosen sind männlich. Und doppelt so viele Jungen wie Mädchen gingen auf eine Förderschule, erklärt Giffey bei der Präsentation im Ministerium. »Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass es auch bei den Jungen Unterstützungsbedarf gibt. Im Vordergrund stehen natürlich noch immer die Frauen«, schiebt sie schnell hinterher. Äußerlich wirkt die Berlinerin ausgeruht, innerlich dürfte sie extrem angespannt sein. Das Thema ist heikel.

Um künftig auch Männer zu fördern, hat ihr Ressort einen »Stufenplan« beschlossen und bereits im letzten Jahr begonnen: Als Erstes wurde eine Landkarte erstellt, auf der rund 200 Beratungsstellen für Männer bei Fragen zu Erziehung, Arbeit, Gewalterfahrung oder auch zu Pflege eingezeichnet sind. Dabei arbeitet das Ministerium mit dem Bundesforum Männer zusammen, das von diesem Februar bis 2022 insgesamt 1,15 Millionen Euro erhalten soll, um Männer stärker in die Gleichstellungspolitik einzubinden. Geschäftsführer Thomas Altgeld betont: »Wir verstehen uns nicht als die andere Seite, die immer aufrechnet und guckt, was die Frauen kriegen, sondern wir sehen Männer als Akteure und Adressaten von Gleichstellungspolitik.«

In der zweiten Stufe sollen Beratungskräfte zu Multiplikatoren weitergebildet werden. Dafür erhält der Sozialdienst katholischer Männer e.V. rund 800.000 Euro. Weshalb hierfür kein konfessionsloser Träger gewählt wurde, erläutert Giffey von sich aus nicht.

Drittens soll eine bundesweite Fach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz aufgebaut werden. Zu diesem Zweck stellt das Ministerium der Landesarbeitsgemeinschaft Jungen- und Männerarbeit Sachsen 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Noch in diesem Jahr sollen etwa neun Männerschutzwohnungen mit insgesamt 24 Plätzen eingerichtet werden. »Das ist weniger als der Bedarf«, gibt Giffey zu. Aber Gewalt gegen Männer sei eben immer noch ein großes Tabu. Dabei sind die meisten Gewaltbetroffenen Männer: Laut Bundeskriminalamt gab es im letzten Jahr 610.000 männliche Geschädigte und 410.000 weibliche. Die vielen männlichen Gewaltopfer werden später oft selbst zu Tätern, erläutert auch Altgeld.

Auf der vierten Stufe ihrer Männeroffensive will die Ministerin in Austausch mit den Bundesländern und Kommunen kommen. Im fünften und letzten Schritt soll eine Studie über gewaltbetroffene Männer und Frauen durchgeführt werden, bei der es auch um Partnerschaftsgewalt und Täterstrukturen geht, »um tatsächlich an die Ursache der Gewalt zu gehen«, so Giffey. Sie betont, dass sie die Männerarbeit nicht als Widerspruch zur Frauenförderung ansieht. Das Jahr solle »im Zeichen der Gleichstellung« stehen. Mehr Geld wird weiterhin für die Förderung von Frauen und ihrer Gleichstellung ausgegeben. So kündigt Giffey auch an, dass das Digitale Deutsche Frauenarchiv (DDF) künftig »institutionell« gefördert wird und 1,85 Millionen Euro bekommt. Für den Aus- und Umbau von Frauenhäusern hatte sie schon im letzten Jahr 120 Millionen Euro angekündigt.

Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr wolle die Ministerin die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern in den Fokus stellen und dafür sorgen, dass in allen Mitgliedsstaaten eine Notrufnummer für Gewaltbetroffene eingerichtet wird. Dies ist eine Maßnahme, die die Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt vorschreibt. Doch Artikel 59, der Schutz für geflüchtete Frauen festschreibt, hat Deutschland bislang nicht einmal ratifiziert. Und das wird sich wohl auch 2020 nicht ändern. Auf Nachfrage von »nd« sagte Giffey, sie konzentriere sich auf Themen, bei denen man sich in der Koalition einig sei. Dies ist bei Artikel 59 nicht der Fall, denn dafür müsste das Aufenthaltsrecht verändert werden, über das Innenminister Horst Seehofer (CSU) wacht.

Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, sagte gegenüber »nd«, sie begrüße Giffeys Initiativen insgesamt. Offen sei, wie die Ministerin »sich weiterhin zum Paragrafen 219a StGB positionieren wird«. Dieser Paragraf aus dem Strafrecht erschwert es Ärzt*innen, über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren.

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