- Wirtschaft und Umwelt
- Kohleausstieg
Auf den letzten Drücker
Laut Abschaltplan bleiben viele Kohlekraftwerke länger am Netz als vorgeschlagen
Fast genau ein Jahr ist es her, da verkündete die vom Bund eingesetzte Kohlekommission ihre Empfehlungen für den deutschen Kohleausstieg. Jetzt hat sich die Regierung mit den betroffenen Bundesländern auf einen Pfad zur Abschaltung von Braunkohlekraftwerken geeinigt. Das Bundeswirtschaftsministerium verkündete am Donnerstag stolz, damit seien die Vorgaben der Kommission »Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung« erfüllt.
Laut einem »Stilllegungspfad« des Bundeswirtschaftsministeriums sollen bis Ende des Jahres 2022 acht Kraftwerksblöcke mit einer Kapazität von insgesamt 2820 Megawatt vom Netz gehen, alle vom Betreiber RWE im Rheinland. Die Reihenfolge, in der die Blöcke abgeschaltet werden sollen, steht zwar noch nicht fest, allerdings dürfte es sich dabei um mehrere kleinere Blöcke und zwei der 600-Megawatt-Meiler der Kraftwerke Niederaußem, Neurath und Weisweiler handeln.
Die Kohlekommission hatte dagegen empfohlen, bis 2022 insgesamt 5000 Megawatt Braunkohle vom Netz zu nehmen. 2000 Megawatt davon steuern die von 2017 bis 2020 bereits abgeschalteten Anlagen in West und Ost innerhalb der sogenannten Sicherheitsbereitschaft bei. Die in der Kohlekommission seinerzeit vertretenen Umweltverbände monieren deshalb, dass bis 2022 nun ein 300-Megawatt-Block weniger vom Netz geht und damit weiter unvermindert CO2 in die Atmosphäre bläst.
Ferner kritisieren sie, dass dann bis 2025 überhaupt nicht abgeschaltet werden und erst bis 2030 weitere Kraftwerksblöcke mit einer Kapazität von 5700 Megawatt vom Netz sollen. Mit dabei sind sowohl weitere Kraftwerke im Rheinland als auch in Jänschwalde und Boxberg in der Lausitz. Die Bundesregierung behauptet zwar, laut dem neuen Plan seien Ende 2030 nur noch Braunkohlekraftwerke mit einer Kapazität von maximal 9000 Megawatt am Netz, wie von der Kommission gefordert. Allerdings sollen die meisten Kapazitäten in Höhe von 4400 Megawatt, erst 2028 und 2029 stillgelegt werden. Die Kommission hatte hingegen empfohlen, dass die Emissionen von Treibhausgasen in diesem Zeitraum »möglichst stetig« verringert werden sollen.
Laut den neuen Plänen sollen die letzten sieben Blöcke der Kraftwerke Niederaußem, Neurath, Schwarze Pumpe und Boxberg dann am 31. Dezember 2038 vom Netz gehen - womit der Ausstieg aus der Braunkohle geschafft wäre.
Ein weiterer Bestandteil der jetzigen Einigung: Der hart umkämpfte Hambacher Forst soll, wie von der Kohlekommission empfohlen, erhalten bleiben. Die für den Tagebau Garzweiler geplanten Umsiedlungen sollen jedoch stattfinden. Dadurch würden die Bewohnerinnen und Bewohner von sechs Dörfern trotz des Kohleausstiegs ihre Heimat verlieren.
Die Kohlekommission hatte zwar als Ausstiegsdatum 2038 vorgeschlagen, allerdings auch die Option, diesen auf das Jahr 2035 vorzuziehen, sollte die Versorgung gesichert sein. Laut der Mitteilung der Bundesregierung soll nun tatsächlich in den Jahren 2026 und 2029 überprüft werden, ob die Kraftwerke, die nach dem Jahr 2030 abgeschaltet werden sollen, schon jeweils drei Jahre vorher vom Netz gehen können. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält indes auch eine andere Möglichkeit bei der Überprüfung für gegeben: »Es kann sein, dass der eine oder andere Kraftwerksblock länger am Netz sein muss«, sagte er am Donnerstag in Görlitz.
Einen weiteren Punkt im Vorschlag der Kohlekommission, den Vertreter von Umweltverbänden und Forderung seinerzeit als Bedingung für ihre Zustimmung nannten, wird jetzt nur als vage Möglichkeit genannt: eine industrielle Innovationsstrategie mit dem Ziel, bis 2025 zusätzlich zehn Millionen Tonnen CO2 einzusparen.
Dagegen steht die Höhe der Entschädigungen für die Kraftwerkskonzerne nun fest. Laut Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sollen die Unternehmen in Westdeutschland insgesamt 2,6 Milliarden Euro erhalten, die im Osten 1,75 Milliarden. Freuen wird sich der Betreiber Uniper zusätzlich über die Erlaubnis, das neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4 trotz Kohleausstieg in diesem Jahr in Betrieb nehmen zu dürfen. Die Regierung Sachsen-Anhalts konnte verhindern, dass dafür zum Ausgleich das Braunkohlekraftwerk Schkopau früher von Netz muss. Ein weiterer Fauxpas gegenüber der Kohlekommission: Diese wollte neue Kraftwerke eigentlich verhindern.
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