Schmutzige Mitschnitte

Robert Putzbach über das Rücktrittsgesuch des ukrainischen Ministerpräsidenten

  • Robert Putzbach
  • Lesedauer: 2 Min.

Seinen Facebook-Beitrag vom Freitag beginnt Oleksij Hontscharuk mit sechs Punkten Eigenwerbung für Reformen, die seine Regierung in den letzten Monaten umgesetzt habe. Erst zum Schluss wird es knackig: Der 35-jährige ukrainische Premierminister bietet nach nur vier Monaten im Amt seinen Rücktritt an, »um jeden Zweifel an seinem Respekt gegenüber dem Präsidenten auszuräumen«. Zuvor waren im Internet Aufnahmen eines Gesprächs mit der Finanzministerin sowie mit dem Nationalbankchef aufgetaucht, in denen sich Hontscharuk abfällig über den Präsidenten äußert.

Die Schmähungen sind jedoch überraschend harmlos: Wolodymyr Selenskyj habe ein »primitives Wirtschaftsverständnis« und »Nebel im Kopf«. Hinter vermeintlich verschlossenen Türen, beispielsweise auf Ibiza, bedienen sich Politiker auch gerne eines deftigeren Vokabulars.

Die spannende Frage lautet also, wer für die Mitschnitte verantwortlich ist. Offenbar hat, wie meistens in der ukrainischen Politik, ein Oligarch seine Finger im Spiel. Hinter der Lauschattacke soll der einflussreiche Unternehmer Ihor Kolomojskyj stecken. Sein Fernsehkanal strahlte die Serie mit Selenskyj in der Hauptrolle aus, was dessen Kandidatur erst ermöglichte. Kolomojskyj strebt nun nach mehr Einfluss auf die Regierungspartei, auch um seine verstaatlichte »Privatbank« zurückzubekommen.

Der Präsident steckt nun in einer Zwickmühle: Wenn er das Rücktrittsgesuch annimmt, spielt er denjenigen in die Hände, die hinter der Intrige stecken. Wenn er hingegen ablehnt, leidet sein Ruf: Der Komiker steht dann da wie einer, dem man einfach auf der Nase herumtanzen kann.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.