Sorgenfalten der IG Metall

Den Zuschlag für die nächste Generation von Kriegsschiffen der Bundesmarine erhielt eine niederländische Firma

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Ab den 1990er Jahren wurde die Bundesmarine Stück für Stück verkleinert. Die Zahl der für Kriegsführung vorgesehenen Schiffe in der Ostsee nahm drastisch ab. Dutzende Einheiten wurden verschrottet oder in andere Länder verkauft. Heute verfügt die Deutsche Marine noch über 46 Schiffe. Parallel dazu wurde die Anzahl der Marinesoldaten auf unter 20 000 verringert. Der Generalin-spekteur der Marine, Andreas Krause, beklagt denn auch große materielle und personelle Lücken in seinen Verbänden. Noch, denn »es geht voran«, wie der Vizeadmiral twitterte.

Insbesondere seit der Einnahme der Krim durch Russland änderte sich die Lagebeurteilung in Berlin. »Wir müssen wieder wachsen!« - mit diesen Worten leitete die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine Trendwende ein. Seither verfolgt die Politik das Ziel, die Marine materiell, personell und finanziell besser auszustatten. »Diese Neuausrichtung hat bereits eine spürbare Verbesserung bewirkt, auch wenn wir noch lange nicht am Ende unseres Weges angekommen sind«, sagte Inspekteur Krause kürzlich in einem Interview. Seit 2014 hätten sich die Verteidigungsausgaben um 40 Prozent erhöht.

Von der Leyen begann gleichzeitig, die Vergabepolitik der Bundeswehr zu »modernisieren«. Das Ziel: Bürokratie durch Management zu ersetzen. Pannen, wie es sie zuvor beim Bau neuer Korvetten, Fregatten und Hubschrauber gab, wollte das Verteidigungsministerium nicht länger hinnehmen. Die heutige EU-Kommissionspräsidentin setzte dabei, unterstützt von Frankreich und einigen kleineren Ländern, auf eine Europäisierung von Militärpolitik und Rüstungswirtschaft. Gleichzeitig dürfte sie im Blick gehabt haben, das träge Quasi-Monopol aus einigen wenigen Industriekonzernen in Deutschland zu sprengen.

Zur Nagelprobe wurde die Ausschreibung des neuartigen Mehrzweckkampfschiffes 180 (MKS 180) durch die zuständige Bundeswehrverwaltung im Jahr 2015 - die erste, die europaweit erfolgte. Es geht um ein Volumen von 5,27 Milliarden Euro für zunächst vier Schiffe. Anfänglich nahmen deutsche Werften die Absicht der Ministerin nicht wirklich ernst. Umso größer war die Überraschung, als vergangene Woche der Zuschlag an die niederländische Damen Shipyards ging. Dabei sind bei Militärfahrzeugen und Kampfflugzeugen grenzüberschreitende Kooperationen längst üblich, und die maritime Zulieferindustrie in Deutschland verkauft ihre Produkte weltweit. Auch der Familienkonzern Damen besitzt in einem Dutzend Länder - darunter China - Werften und Niederlassungen.

Die IG Metall kritisierte die europaweite Ausschreibung des MKS 180 von Anfang an als »industriepolitische Fehlentscheidung«. Keine andere Nation würde bei einem Beschaffungsprojekt solcher Dimension und Bedeutung so vorgehen. Nun verlangen IG Metall und Betriebsräte der Werften und Zulieferer von der Bundesregierung ein Spitzengespräch, in dem über die Zukunft des Marineschiffbaus in Deutschland verhandelt wird. »Uns geht es um den Erhalt des Überwasserschiffbaus mit allen Arbeitsplätzen und Standorten«, sagte Daniel Friedrich, neuer Bezirksleiter der IG Metall Küste, nach einem kurzfristig anberaumten Treffen mit Betriebsräten in Hamburg. Man müsse aber dafür sorgen, dass »die Schlüsseltechnologie Überwasserschiffbau« - damit sind neben Kriegs- auch Kreuzfahrtschiffe gemeint - in Deutschland gesichert wird, heißt es in einem Positionspapier der Gewerkschaft. Sie schätzt die Beschäftigtenzahl der von wenigen Großaufträgen abhängigen Branche in Deutschland auf bis zu 15 000.

Allzu hart wird es die deutsche Schiffbauindustrie allerdings nicht treffen. Zwar geht die Systemführerschaft an die Holländer. Doch Damen wird, worüber sich auch die IG Metall Küste freut, mit der Bremer Lürssen-Gruppe kooperieren, die ebenfalls über lange Erfahrung im Marineschiffbau verfügt. Eckhardt Rehberg, haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, geht davon aus, dass gut vier Fünftel der Arbeiten in Deutschland geleistet werden. Der mecklenburgische Abgeordnete erwartet, dass die Peenewerft in Wolgast, die zur Lürssen-Gruppe gehört, »große Teile des Auftrags realisiert«. In die Röhre schaut hingegen das Kieler Bewerberteam von German Naval Yards und ThyssenKrupp Marine Systems.

Vizeadmiral Krause lobt die Entscheidung für das Superschiff MKS 180 als »weiteren, wichtigen Schritt zur Modernisierung unserer Flotte«. Bis 2030, so der ranghöchste Marinesoldat, wird sie nun jedes Jahr mindestens ein neues Schiff erhalten. Darunter vier Hochtechnologie-Fregatten vom Typ F125 zum Stückpreis von knapp einer Milliarde Euro. Krause höflich: »Für die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel möchte ich dem Bundestag ausdrücklich danken.«

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