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Ziviler Ungehorsam für die Verkehrswende

Der Pankower Bürgermeister Sören Benn fordert Geld und Bürgerengagement, um auf die Klimanotlage zu reagieren

  • Susanne Schwarz
  • Lesedauer: 4 Min.

Was verändert sich für die Bürger*innen? Darüber haben am Dienstagabend auf einer Veranstaltung des Vereins Helle Panke der linksparteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung zwei gesprochen, die es wissen müssten: Cornelia Niemeitz vom Bezirksamt Spandau, die dort die Leitstelle Nachhaltigkeit und Klimaschutz leitet, und der Pankower Bezirksbürgermeister Sören Benn (LINKE). Pankow hat schon im August auf Bezirksebene den Klimanotstand erklärt.

»Für die Verwaltung hat das rechtlich erst mal keine Folgen«, sagte Benn. Für ihn ist die symbolische Wirkung wichtig: »Der Beschluss verschiebt die Prioritäten, macht einem das Problem immer wieder bewusst.« Unter anderem soll Pankow nun ein Klimabüro mit eigenen Angestellten bekommen.

»Am meisten können wir bei der Wärmeversorgung ausrichten«, sagte Niemeitz. Fast die Hälfte der CO2-Emissionen Berlins fallen derzeit durch die Wärmeversorgung im Gebäudebereich an. Dagegen kann man den Heizbedarf senken, etwa durch Dämmung oder andere Baumaßnahmen. Außerdem kann die Heizenergie erneuerbar gewonnen werden.

Cornelia Niemeitz versucht zum Beispiel, mit Immobiliengesellschaften über ökologische Investitionen zu reden. Das kann ernüchternd sein. Die Nachhaltigkeitsexpertin berichtet von einem Fall, in dem sie nach zwei Jahren Verhandlung endlich eine Einigung mit einem Unternehmen erzielt hatte - nur um kurze Zeit später zu hören, dass dieses nun von einem anderen Konzern geschluckt worden sei. Dahin die Arbeit von zwei Jahren.

Als zweite große Baustelle für die Bezirke nennt Niemeitz den Verkehr. Die Herausforderungen sind nicht überall dieselben. »Spandau hat viel Durchgangsverkehr«, erklärte sie. Im Pankower Ortsteil Prenzlauer Berg sind dafür die Nebenstraßen verstopft. Eines von Benns neuen Lieblingsprojekten soll die Zahl der Autos mindern. Er will in zwölf Pankower Kiezen, vor allem in Prenzlauer Berg, sogenannte Superblocks schaffen - zum Beispiel im Winsviertel. »Da gibt es eine große Straße, nämlich die Winsstraße und dann viele kleine Querstraßen. Wie wäre es, wenn Autofahrer abgesehen von den Anwohnern nur noch durch die Winsstraße fahren dürften?«, fragte er.

Nach und nach will er in den Nebenstraßen die Parkplätze abschaffen. »Die Idee, man hätte ein Recht, sein Privateigentum im öffentlichen Raum abzustellen - dieses Paradigma muss man auflösen«, meint Benn. »Irgendwann können wir dann vielleicht sagen: Jetzt haben wir die Marienburger Straße geschafft und geben sie den Bewohnern als öffentliches Wohnzimmer zurück.« Das Ergebnis: Mehr Ruhe, mehr Platz, bessere Luft vor vielen Haustüren - und weniger Treibhausgase, falls Menschen dann verstärkt auf das Fahrrad oder die U-Bahn setzen. Das Projekt ist gerade in Prüfung. Die Idee des Superblocks stammt aus Barcelona, mehrere Berliner Bezirke arbeiten daran, sie hier umzusetzen.

Der Bezirksbürgermeister und die Klimabeauftragte sind sich allerdings einig: Damit Bezirke den nötigen Klimaschutz auch wirklich liefern können, brauchen sie Geld. »Es ist sehr schön, dass es für uns in der Leitstelle feste Stellen gibt, aber für unsere Projekte brauchen wir auch Geld«, sagte Niemeitz. Zum Beispiel für Energieberatungen. »Wir machen diese Arbeit mit Fördermitteln«, erklärte sie. Das heißt: Bevor ein Projekt beginnen kann, müssen langwierige Anträge geschrieben werden, die dann bewilligt werden oder nicht - wenn ja, fließt für gewisse Zeit Geld. Dann geht das Spiel von vorne los.

Benn schlägt deshalb einen Berliner Klimaschutzfonds vor, bei dem sich Bezirke mit vergleichsweise wenig Aufwand mit ihren Projekten bewerben können, so dass schnell Mittel zur Verfügung stehen. Niemeitz will noch einen Schritt weiter gehen: Sie wünscht sich, dass den Bezirken extra Klimageld garantiert wird.

Noch etwas ist für Benn allerdings wichtig: die Unterstützung der Bürger*innen. »Es waren nie die Amtsträger, die den Wandel angestoßen haben, sondern immer die Menschen von unten«, sagte er. »Wir in der Politik brauchen diesen Druck, denn es gibt immer Leute, die dagegen sind.« Er empfahl etwa die Gründung von Bürgerinitiativen. Außerdem wundere es ihn, dass er angesichts der Klimakrise überhaupt noch gefragt werde, wenn jemand etwa die Parkplätze vor dem Haus temporär sperren und anders nutzen wolle. »Wir brauchen mehr zivilen Ungehorsam.«

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