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Hass gibt’s nicht ohne Liebe

Als Journalistin kann man heutzutage Morddrohungen bekommen, aber auch Anerkennung

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 5 Min.

Wer schon einmal einen Kommentar mit einer steilen These geschrieben hat oder regelmäßig über die AfD berichtet, hat auch schon mal einen beleidigenden Leser*innenbrief erhalten. Journalist*innen sind heutzutage zudem über E-Mail und soziale Medien wie den Kurznachrichtendienst Twitter zu erreichen. Viele haben auch eine eigene Homepage, über die man sie kontaktieren kann. Die Distanz zu den Leser*innen ist dadurch kleiner geworden, als sie es früher war.

Das hat Vor- und Nachteile. Zum einen wird man von Leser*innen viel mehr als früher auf Fehler hingewiesen, kann dies prüfen und gegebenenfalls korrigieren. Auch kommt es vor, dass man von Leser*innen einen Tipp für ein spannendes Thema bekommt oder sie direkt auf Journalist*innen zugehen, wenn sie sich wünschen, dass über einen bestimmten Sachverhalt berichtet wird. Zum anderen ist es für Journalist*innen aber heutzutage schwieriger, in der Freizeit »abzuschalten«, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: im Urlaub keine E-Mails, kein Twitter, kein Instagram zu checken oder nur auf das Wenigste zu reagieren.

Ihre Meinung

Haben Sie auch schon Erfahrungen mit Hasskommentaren gemacht? Ist es Ihnen schon einmal gelungen, einen Hasskommentator zu überzeugen?

Bitte schreiben Sie uns. Wir werden Ihre Erfahrungen gern veröffentlichen. Per Mail an: leserbriefe@nd-online.de, Kennwort: Hasskommentare
oder per Post an: neues deutschland, nd.Commune, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin.

Ich selbst schalte das Internet im Urlaub überwiegend ab, um mich tatsächlich erholen zu können. Ansonsten ist die Versuchung zu groß, doch mal kurz zu gucken, wer gerade was auf Twitter schreibt oder auf Facebook postet. Von Kolleg*innen weiß ich, dass es viele anders machen. Manche teilen sogar Fotos aus ihrem Urlaub über ihre öffentlichen sozialen Kanäle. Meine Ferienregel war ein Segen, als ich meinen ersten Shitstorm erfuhr: Wegen einer Kolumne mit dem Titel »Lasst uns die Köter abschaffen«, die ich kurz vor meinem Urlaub geschrieben hatte, gingen unzählige, wutentbrannte und beleidigende Nachrichten ein, über alle Kanäle: als Leserbrief per E-Mail und Post, über Twitter und als Anruf in der Redaktion. In dem Meinungsbeitrag hatte ich die Klimabilanz von Haustieren und die zunehmende Belastung von Großstädten durch Hundekot thematisiert. Anfangs bekam ich von den negativen Reaktionen auf meinen Beitrag nichts mit, bis mir ein guter Bekannter per SMS schrieb, er wünsche mir, dass ich mich gut gegen die Hasskommentare wappnen könne. Wenngleich ich ein bisschen neugierig war, schaute ich in keinem der sozialen Netzwerke nach, was vor sich ging - zum Glück!

Als ich nach einer Woche wieder in die Redaktion kam, sichtete ich meine Zuschriften. Ich hatte mehr als 400 E-Mails und unzählige Nachrichten via Twitter bekommen und merkte schnell: Ich kann mir nicht jede genau anschauen. Deswegen las ich quer und antwortete nur jenen, die sich sachlich mit meinem Text auseinandersetzten oder höflich nachgefragt hatten, ob er satirisch gemeint war (tatsächlich hatte ich beim Verfassen einige Stellen ironisch gemeint). Briefe an mich, die an die Redaktion geschickt wurden, gab es weniger, etwa 50 Stück. Ich wurde von vielen Menschen aufs derbste persönlich beleidigt, aber die meisten Beschimpfungen berührten mich nicht, weil sie sehr oberflächlich waren.

Bei einem zweiseitigen Brief war es anders: Der Absender gab an, männlich zu sein, hatte aber Namen und Adresse auf den Umschlag geschrieben, die nicht existierten. Seine Zeilen schockierten mich, weil er mit Vergewaltigungsfantasien begann und gar nicht mehr aufhörte. Ich entschied mich, mit dem Brief zur Polizei zu gehen und den Schreiber anzuzeigen.

Die zuständige Beamtin war von meinem Anliegen nicht überrascht, klärte mich aber auf, dass es sehr schwierig sei, etwas herauszufinden. Zum einen, weil schon etliche Personen den Brief angefasst hätten, zum anderen, weil man nicht herausfinden könne, wer diesen wo abgeschickt habe. Ich dachte mir, dass die Drohung durch meine Anzeige aber letztlich in irgendeiner Statistik landen könnte und dass dies wichtig ist.

Interessant ist, dass die Staatsanwaltschaft Kiel mich auf Beleidigungen in einem russischen sozialen Netzwerk hinwies, von denen ich bis dahin gar nichts mitbekommen hatte. Die Behörde war bei Ermittlungen gegen eine Person darauf aufmerksam geworden und fragte, ob ich wünsche, dass auch wegen dieser Beleidigungen ermittelt wird. So stellte ich Strafantrag gegen die Person.

Gegen keine andere Beleidigung, die mich über die sozialen Medien erreichte, bin ich bisher juristisch vorgegangen. Warum, kann ich gar nicht so genau sagen. Vielleicht habe ich mich selbst schon daran gewöhnt, dass der öffentliche Diskurs derart verroht ist? Und bin nicht überrascht, wenn mir jemand schreibt: »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie geisteskrank sind, aber Ihre Eltern haben scheinbar etwas in Ihrer Kindheit verbockt« oder: »Wenn Sie dem Klima helfen wollen, sollte Hitler Ihr Vorbild sein und Sie können Ihren Hass an Juden auslassen. Aber Hunde? Katzen? Von Journalisten ist heutzutage nichts mehr zu erwarten.« Das sind Kommentare aus sozialen Netzwerken, die an meine Benutzerkonten geschickt wurden. Kolleg*innen finden, man sollte solche Beschimpfungen öffentlich machen. Aber normalerweise veröffentliche ich derartige Zuschriften nicht, weil ich denke, dass ich den Autor*innen damit Aufmerksamkeit schenke, und das möchte ich nicht.

Neben vielen feindseligen Zuschriften bekam ich aber auch einen sehr respektvoll geschriebenen Brief von Ulf Mann. Er schrieb mir, dass er eine Katze hat und sich von ihr nicht trennen kann, obwohl er sich in seinem Leben schon von vielem getrennt hat, was das Klima belastet. Über seine gelbe Karte, auf der ein Bild mit seiner Katze klebte, freute ich mich sehr. Ich verwahre sie mit anderen netten Leser*innenbriefen in einer Schreibtischschublade und habe dem Mann auch geantwortet. Mittlerweile ist eine kleine Brieffreundschaft entstanden. Dieses Beispiel zeigt, dass es noch immer Menschen gibt, die konstruktiv Kritik üben können. Und dass in der Nähe von Hass auch Liebe zu finden ist.

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