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Umwandlungswelle im Milieuschutzgebiet

Rund ein Dutzend Häuser wurden im Neuköllner Reuterkiez auf einmal in Eigentumswohnungen aufgeteilt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Schreiben des Bezirksamts Neukölln kam am 21. Januar. »Der Eigentümer Ihres Mietshauses hat beim Stadtentwicklungsamt einen Antrag auf Begründung von Wohneigentum gestellt«, heißt es dort, im vorliegenden Fall gerichtet an die Mieter der Häuser Nansenstraße 14, 14a und 15 im Reuterkiez. Ähnliche Schreiben gingen an die Bewohner mehrerer Häuser in der Frahmstraße, der Pannier- und der Pflügerstraße.

Rund ein Dutzend Häuser, die bereits vor dreieinhalb Jahren Schlagzeilen gemacht haben. Damals hatten sich die Mieter noch einiger weiterer Häuser in dem Karée unter dem Motto »Unser Block bleibt« zusammengetan gegen eine sogenannte Teilungsversteigerung. Die Verus GmbH, die über mehrere Verschachtelungen den durch Internetunternehmen wie Zalando zu Milliardären gewordenen Brüdern Oliver, Alexander und Marc Samwer gehört, wollte so die verbleibenden Eigentümer der Erbengemeinschaft aus dem Grundbesitz loswerden (»nd« berichtete). Nach lauten Protesten der Mieter wurde das Vorhaben im Sommer 2016 schließlich abgeblasen. »Wir hielten das für einen Sieg«, sagt eine Mieterin, die nicht namentlich genannt werden will. In der Zwischenzeit sollen weitere Anteile an den Liegenschaften die Besitzer gewechselt haben.

Nun also die Aufteilung. Das Bezirksamt muss diese auch im Milieuschutzgebiet genehmigen, wenn der Eigentümer sich verpflichtet, nach deren Inkrafttreten am 17. Februar für sieben Jahre die Wohnungen ausschließlich an die Mieter zu verkaufen. Das ist die vom Bund vorgegebene Rechtslage. Kündigungen wegen Eigenbedarfs sind im Anschluss für weitere fünf Jahre ausgeschlossen. »Bitte beachten Sie, dass auch Sie keine rechtlichen Möglichkeiten haben, die Umwandlung durch Ihren Einspruch zu verhindern, da der Anspruch auf Genehmigung gesetzlich geregelt ist«, erklärt auch das Stadtentwicklungsamt in seinem Schreiben an die Mieter.

Die Bewohner des Blocks sehen einen Zusammenhang mit einem jüngst gewonnenen Gerichtsverfahren einer neu eingezogenen Mieterin. Statt bisher 900 Euro Kaltmiete pro Monat muss sie nur noch 512 Euro zahlen, urteilte das Gericht in zweiter Instanz. Die »umfassende Modernisierung«, die die Begrenzungen der Mietpreisbremse aushebelt, konnte das Gericht nach genauerer Überprüfung und Unterscheidung zwischen Sanierungs- und Modernisierungskosten nicht erkennen. Der Vermieter muss 8550 Euro zurückzahlen.

Der Neuköllner Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) versucht trotz der bundesgesetzlichen Regelungen das Aufteilungsgeschäft so »unattraktiv wie möglich« zu machen. So werden laut eines Beschlusses des Bezirksamts vom September 2019 regelmäßig nur solche Mieter als Käufer der Wohnungen anerkannt, die seit mindestens zwei Jahren einen Mietvertrag haben und an der Adresse ihren Hauptwohnsitz haben. Sie müssen, so heißt es in dem Beschluss, »zu einem Teil der schützenswerten Wohnbevölkerung in ihrem Milieuschutzgebiet geworden« sein. »Wir hatten schon Fälle auf dem Tisch, da war der Kaufvertrag noch vor dem Mietvertrag datiert«, berichtet der Stadtrat.

Neukölln ist ein Hotspot der Aufteilung in Eigentumswohnungen. Allein in den ersten elf Monaten des Jahres 2019, neuere Zahlen liegen noch nicht vor, musste die Umwandlung von 1046 Wohnungen genehmigt werden. »Seit Beginn der Diskussion um den Mietendeckel stapeln sich bei uns die Anträge«, so Biedermann.

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