Kohleausstieg mit offenen Fragen

Bundesregierung bringt Gesetz auf den Weg - Energiewende und Erreichen der Klimaziele unklar

  • Andreas Hoenig und Teresa Dapp
  • Lesedauer: 4 Min.

Es hat erheblich länger gedauert als geplant, aber jetzt steht das Kohleausstiegsgesetz - jedenfalls als Entwurf, den das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin verabschiedet hat. Jetzt ist der Bundestag an der Reihe. Bis Mitte des Jahres soll alles in trockenen Tüchern sein, damit dann auch das Gesetz zu den Milliardenhilfen für die Kohleregionen in Kraft treten kann. Grundsätzlich soll damit geregelt werden, wie der Kohleausstieg für den Klimaschutz in Deutschland bis 2038 ablaufen soll. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte:

Steinkohle: Steinkohlezechen gibt es in Deutschland keine mehr, Kraftwerke schon. Deren Betreiber können sich darauf bewerben, gegen Entschädigung abzuschalten. Wer früh vom Netz geht, kann mehr bekommen - in diesem Jahr maximal 165 000 Euro pro Megawatt, dann jedes Jahr weniger und 2026 noch 49 000 Euro. Das Ziel ist, möglichst viele Treibhausgase für möglichst wenig Entschädigung einzusparen. Die Versorgung mit Strom und Wärme muss dabei gesichert bleiben. Wer ein Kraftwerk mit Wärmeproduktion freiwillig von Kohle auf Gas umstellt, kann einen Ersatzbonus bekommen. Ab 2027 wird per Verordnung und ohne Entschädigung abgeschaltet.

Kein Konsens
Verschiedene Akteure der Klimabewegung haben sich gegen das Kohleausstiegsgesetz der Bundesregierung gewandt und neue Proteste angekündigt

Braunkohle: Zu den Braunkohlekraftwerken gehören auch Tagebaue, deswegen wären Ausschreibungen wie für die Steinkohle zu kompliziert. Es gibt stattdessen einen festen Abschaltpfad für die einzelnen Anlagen von 2020 bis 2038. Los geht es mit einigen Meilern in Nordrhein-Westfalen, Ostdeutschland ist später dran. Betreiber wie RWE und der tschechische Betreiber EPH, dem die Leag und Mibrag gehören, bekommen dafür zusammen 4,35 Milliarden Euro. Mit dem Abschaltplan sind Klimaschützer unzufrieden: Zu spät und nicht stetig genug, finden sie.

Überprüfungen: Viermal wird offiziell überprüft, wie es mit dem Kohleausstieg läuft - ob die Versorgung gesichert ist, wie der Strompreis sich entwickelt und wie es um das Erreichen der Klimaschutzziele steht. Das passiert erstmals 2022, dann 2026, 2029 und 2032. Ab 2026 wird auch geprüft, ob der Ausstieg um drei Jahre vorgezogen werden kann - also ob schon 2035 Schluss ist.

Hilfe für ältere Kumpel: Wer 58 Jahre oder älter ist und seinen Job im Braun- oder Steinkohlebereich durch den Ausstieg verliert, kann für die Zeit bis zur Rente für höchstens fünf Jahre ein Anpassungsgeld beantragen. Auch Abstriche bei der Rente werden ausgeglichen. Der Bund rechnet dafür mit Kosten von höchstens 4,81 Milliarden Euro bis zum Jahr 2043.

EU-Klimaschutz: Deutsche Kraftwerke nehmen am Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten auf EU-Ebene teil. Das Gesetz regelt, dass durch den nationalen Kohleausstieg frei werdende Zertifikate gelöscht werden können. Sonst würden die Treibhausgase einfach in Kraftwerken anderer Länder ausgestoßen. Genaueres wird im Lauf der Zeit geregelt, denn die Rechnung ist kompliziert.

Entlastung für Stromverbraucher: Ab 2023 kann der Bund Netzentgelte für Übertragungsnetze mit einem Zuschuss senken - das soll Verbraucher entlasten. Dazu kommt die Möglichkeit, Unternehmen mit großem Strombedarf stärker zu entlasten, damit sie im internationalen Wettbewerb mithalten können.

Datteln 4: Der Ausstieg beginnt damit, dass ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz geht. Dafür soll zusätzlich Leistung von Steinkohlekraftwerken vom Netz gehen.

Was ist noch nicht geklärt?
Zum Teil sollen Gaskraftwerke mit weniger CO2-Ausstoß die Kohle ersetzen, aber möglichst schnell sollen erneuerbare Energien die Lücke füllen. Der Ökostromanteil soll von aktuell 42,6 Prozent bis 2030 auf 65 Prozent steigen. Wie das klappen soll, ist völlig unklar, zumal der Stromverbrauch durch Umstellung auf Elektroautos steigen wird. Experten sind sich einig, dass Windkraft- und Solaranlagen schneller gebaut werden müssen, doch vor allem bei Windrädern an Land hakt es. Regelungen zur Förderung sollten eigentlich ins Kohleausstiegsgesetz mit hinein, aber weil die schwarz-rote Koalition da noch ziemlich zerstritten ist, wurden sie bis zum Frühjahr vertagt. dpa/nd

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