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Justitia soll den Mietendeckel stoppen
CDU, FDP und Immobilienlobby arbeiten bei der Verfassungsklage eng zusammen.
Die Deutsche Wohnen will sich in Berlin von rund 40 000 Wohnungen trennen. Dies geht aus »nd« vorliegenden Unterlagen hervor. Bereits im November erklärte das Philip Grosse, Finanzvorstand des Konzerns, beim »Real Estate Investor Day« - zu Deutsch: Immobilieninvestorentag. Um die Preise nicht zu ruinieren, sollen allerdings maximal 5000 Einheiten pro Jahr verkauft werden. Den Anfang machte der mit über 100 000 Wohnungen größte Vermieter der Hauptstadt bereits im Dezember 2019, als er 2000 Wohneinheiten an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo veräußerte. Mit dieser Maßnahme will der Konzern den Unterlagen zufolge die durch den Mietendeckel sinkenden Einnahmen in der Bilanz kompensieren. Kosten sollen auch bei der Modernisierung des Bestands gespart werden. Begonnene Maßnahmen sollen zwar zu Ende geführt, neue Projekte allerdings nicht gestartet werden.
Berliner Vermieter müssen sich auf deutliche Einschnitte gefasst machen. Der Bezirk Mitte ist bei hohen Mieten der Spitzenreiter. Um durchschnittlich 11,61 Euro pro Quadratmeter lagen die Angebotsmieten laut einer Auswertung des Immobilienportals Immoscout24 zum Stichtag 23. Januar über den im Gesetz zum Mietendeckel festgelegten Obergrenzen. In der Negativ-Hitliste folgen Kreuzberg mit 9,34 Euro Überschreitung und Prenzlauer Berg mit 8,79 Euro. Die geringste Überschreitung mit 1,40 Euro registrierte das Portal in Marzahn. Analyst Julius Stinauer von der Bank Hauck & Aufhäuser rechnet allein bei der Deutsche Wohnen mit Einnahmeausfällen von 12 bis 15 Millionen Euro ab kommendem Jahr, wenn sich die durch den Mietendeckel vorgegebene Absenkung überhöhter Mieten voll auswirken wird.
Die Mieter der Hauptstadt sollen laut Prognose der Stadtentwicklungsverwaltung in den kommenden fünf Jahren satte 2,5 Milliarden Euro sparen können. Kein Wunder, dass die Immobilienlobby das Gesetz juristisch zu Fall bringen will. CDU und FDP sind dabei enge Partner. »Es gibt nur eine Antwort auf dieses Gesetz: die Normenkontrollklage zum Wohle unser Stadt«, sagte Sebastian Czaja, Fraktionschef der Liberalen bereits im Oktober 2019. Sein CDU-Amtskollege Burkard Dregger bekräftigte dies in der Debatte im Abgeordnetenhaus anlässlich der Beschlussfassung des Gesetzes am Donnerstag. Zusammen kommen die beiden Fraktionen mit 43 Abgeordneten knapp über die Hürde von 40 Vertretern, die es braucht, um vor dem Landesverfassungsgericht klagen zu können.
Die Vorarbeit dafür läuft schon lange. Bereits im November kündigte der Immobilienanwalt Christian Schede von der internationalen Großkanzlei Greenberg Traurig an, eine Klage vorzubereiten. Der Rechtsexperte sei dabei, »die rechtliche Grundlagen vorzubereiten, um das neue Gesetz zusammen mit der Opposition im Abgeordnetenhaus und geheimen Partnern der Immobilienindustrie anzufechten«, heißt es in der Zusammenfassung des Investorentages. Anderthalb Jahre könnte es bis zu einem Urteil dauern, glaubt der Jurist. »Der Vorgang zeigt, wie der lange Arm der Immobilienlobby bis ins Parlament und in den Gerichtssaal reicht«, sagt Helge Peters dazu. Er ist Sprecher der Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen«.
Es ist jedoch nicht Christian Schede, der das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof für CDU und FDP führen wird. Stattdessen wird Foroud Shirvani, Professor für öffentliches Recht der Universität Bonn, die Normenkontrollklage übernehmen, hieß es am Freitagvormittag bei einer Pressekonferenz. »Uns kommt es darauf an, schnellstmöglich Rechtsicherheit zu schaffen«, so der wohnungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Christian Gräff. Man wolle mit der Verfassungsklage jahrelange massenhafte gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Mietern und Vermietern vermeiden, sagte Fraktionschef Burkard Dregger. Bleibt die Frage, ob die Immobilienlobby auch die Klage finanziert. Für Spitzenkanzleien können schnell Kosten im fünfstelligen Bereich anfallen, die die Fraktionen begleichen müssten, falls sie vor Gericht unterliegen.
Großen Einfluss hat der Mietendeckel auch auf das Geschäftsmodell von ADO Properties. Laut der Privatbank Hauck & Aufhäuser verfügt der Immobilienkonzern derzeit noch über knapp 18 000 Wohnungen in der Hauptstadt, die laut Geschäftsbericht 2018 teils für mehr als 25 Euro pro Quadratmeter vermietet wurden. Trotzdem rechnete Analyst Julius Stinauer nur mit Einnahmeausfällen von vier bis sechs Millionen Euro aufgrund des Mietendeckels. »Selbst wenn die Immobilienpreise in Berlin um 30 Prozent fallen würden, wäre das Portfolio mehr wert, als sich im derzeitigen Aktienwert niederschlägt«, attestiert er. Vor diesem Hintergrund verwundert die Aussage von Jürgen Michael Schick doch sehr: »Der Mietendeckel kommt einer Enteignung gleich und ist eine Katastrophe für den Berliner Wohnungsmarkt«, meint der Präsident des Immobilienverbandes Deutschland IVD.
Rund 6000 Wohnungen könnte ADO Properties sofort als Einzeleigentum verkaufen, heißt es. Tatsächlich scheinen einige Investoren ihr Heil nun in der Aufteilung von Häusern und im Verkauf von Eigentumswohnungen zu suchen. »Auf Basis unserer Daten kann man vermuten, dass Eigentümer bereits seit Juli 2019 verstärkt Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln und verkaufen«, erklärt Thomas Schroeter, Geschäftsführer von Immoscout24. Auch aus dem Bezirksamt Neukölln heißt es, dass sich seit Beginn der Debatte um den Mietendeckel die Anträge auf Aufteilung stapeln.
Um 40 Prozent ist laut Immoscout24 seit dem Mietendeckel-Stichtag 18. Juni 2019 das Angebot unvermieteter Eigentumswohnungen gestiegen. Dabei geht es nur um vor 2014 fertiggestellte Wohnungen, für jüngere Neubauten gilt das Gesetz nicht. Das könnte auch mit sich abzeichnenden Finanzierungsschwierigkeiten zu tun haben. Das Mehrangebot soll sich jedoch noch nicht auf die Preise ausgewirkt haben.
Wer in Erwartung hoher Mieteinnahmen eine Wohnung auf Kredit gekauft hat, wird sich mit seiner Bank auseinandersetzen müssen. Für finanzielle Schieflagen ist im Gesetz jedoch eine Härtefallregelung vorgesehen. Derzufolge kann eine höhere als die zulässige Miete genehmigt werden, »soweit dies aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich der Vermieterinnen und Vermieter liegen, erforderlich ist«, heißt es dort.
Seit Monaten kritisieren Wirtschaft, CDU und FDP den Mietendeckel als »Neubaubremse«, da Investoren verunsichert würden. Welchen Beitrag Neubau renditeorientierter Akteure allein angesichts der in den letzten Jahren explodierten Baulandpreise überhaupt für die soziale Wohnraumversorgung leisten kann, ist allerdings fraglich.
Für Helge Peters von »Deutsche Wohnen & Co enteignen« geht die Arbeit nach dem Beschluss des Mietendeckels erst richtig los. »Berliner*innen dürfen sich weder auf dem Mietendeckel ausruhen noch auf die Politik verlassen, sondern müssen jetzt per Volksentscheid die Wohnkonzerne enteignen!«, fordert er.
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