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Den Fluch besiegt
Basketballtrainer Aíto García Reneses kann Alba Berlin doch zu Titeln führen. Der Pokal reicht ihm aber nicht
Als die letzten Sekunden des Basketball-Pokalfinals abliefen, war die Regie auf einen Mann fixiert. Auf dem großen Videowürfel unter dem Hallendach war nicht etwa Alba Berlins mit 20 Punkten erfolgreichster Werfer Martin Hermannsson zu sehen, auch nicht Spielmacher Peyton Siva, der nach fast vier Jahren voller Verletzungen und bitterer Niederlagen im Berliner Trikot endlich einen Titel feierte. Die Kameraleute konzentrierten sich lieber auf Aíto García Reneses, den 73-jährigen Trainer von Alba. Während all seine Spieler in einer großen Traube übers Feld sprangen, lief der Spanier wie nach jedem Spiel - und ohne die Mundwinkel auch nur ein bisschen anzuheben - zum gegnerischen Trainer, um sich für das nette Spielchen zu bedanken.
»Er hat sich schon gefreut«, versicherte sein spanischer Landsmann und Alba-Sportdirektor Himar Ojeda wenige Minuten später. »Er hat ›Wow!‹ zu mir gesagt: über die Stimmung in der Halle und über die Spieler, wie sie es geschafft haben zu gewinnen. Aber irgendwie alles wie ein Fan, als hätte er gar nichts damit zu tun. Wir wissen natürlich, dass das nicht stimmt, aber so ist er nun mal.«
Der von allen nur Aíto genannte Trainer hatte vor knapp drei Jahren den Berlinern eine Verjüngungskur verpasst, ihnen beigebracht, wie man schnellen, attraktiven und oft erfolgreichen Offensivbasketball spielt. Nur die Krönung wollte nie gelingen. Fünf Finalteilnahmen erreichte Alba unter dem Spanier - doch fünfmal ging man in Pokal, Meisterschaft und Europapokal als Verlierer vom Feld. »Wir mussten zeigen, dass wir auch die wichtigen Spiele gewinnen können, damit wir nicht irgendwann von einem Finalfluch sprechen«, freute sich Center Johannes Thiemann über den 89:67-Erfolg gegen die Baskets Oldenburg. Kurz zuvor hatte er mit den Fans grölend und tanzend die obligatorische Uffta-uffta-tätärä-Einlage gegeben. Die Anhänger verlangten danach noch Aíto zu sehen, doch der war längst in der Kabine verschwunden und wartete darauf, seinen Spielern eine Ansprache zu geben.
Was er dann sagte, verriet zwar niemand, doch es dürfte wahrscheinlich dem entsprochen haben, was der Spanier später auch den Journalisten in die Blöcke diktierte: »Ich bin sehr glücklich. Der Titel ist sehr wichtig für Alba, die Spieler und unsere fantastischen Fans. Aber der Pokal ist nur die zweitwichtigste Trophäe im deutschen Basketball. Jetzt wollen wir auch die Meisterschaft gewinnen.«
Siva, Hermannsson und Thiemann hatten nach dem Sieg allesamt von einer großen »Erleichterung« gesprochen, vom »schweren Stein«, der endlich nicht mehr auf ihnen laste. Dabei hatte die Öffentlichkeit die Serie von Finalniederlagen eher mit dem Trainer in Verbindung gebracht. Bei Aíto aber war von Erleichterung keine Spur. Dafür hätte vorher Druck auf ihm liegen müssen. Für derlei psychologischen Firlefanz ist er jedoch viel zu erfahren. Wer schon mal im Olympiafinale stand und obendrein in 47 Trainerjahren 20 Titel sammelte, kann fünf Niederlagen in zwei Jahren ganz gut einordnen.
Aíto weiß, dass er mit dem FC Bayern, Bamberg und Valencia stets personell und finanziell stärker ausgestattete Gegner vor der Nase hatte. »Eine Niederlage hat immer auch etwas mit dem Gegner zu tun. Titel sind mir daher nicht so wichtig.« Gegen Oldenburg war Alba klarer Favorit. Dieser Sieg war demnach eher folgerichtig, denn dass ein Titel für dieses talentierte Team überfällig war, wusste der Spanier nur allzu gut, auch wenn er so etwas aus Fairness nie offen sagen würde.
Bei allem Respekt hätte er jeden Grund gehabt, seinen eigenen Anteil prahlerisch hervorzuheben. Zu Beginn des dritten Viertels hatte Aíto auf eine Mischung aus Raum- und Mannverteidigung umgestellt, Oldenburg damit komplett aus dem Rhythmus und das eigene Spiel ins Laufen gebracht. Aus einem knappen Halbzeitrückstand wurde binnen zehn Minuten ein 65:51-Vorsprung, den Alba locker über die Zeit bringen sollte. Der Offensivliebhaber Aíto hatte mit Verteidigung den Cup gesichert.
Mit Ausnahme der knapp 1400 Oldenburger Anhänger feierte der Rest der 14 614 Zuschauer den lang ersehnten Sieg wie eine Meisterschaft. »Als wir erfuhren, dass das Endspiel auch noch zu Hause spielen, wuchs der Druck noch mal an. Wie groß er war, sieht man jetzt an der ausgelassenen Party«, sagte Flügelspieler Rokas Giedraitis und nahm einen kräftigen Schluck aus dem ersten Bierbecher. Es sollten noch viele folgen an diesem Abend.
Durch den zehnten Pokalsieg zog Alba Berlin am Sonntagabend mit Rekordsieger Bayer Leverkusen gleich. Ob der zwischenzeitlichen Durststrecke dürfte keiner der neun davor so ausgelassen gefeiert worden sein. Nur eben nicht vom Trainer. Der hat ja noch was vor.
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