Munition? Welche Munition?

Bei der sächsischen Polizei verschwanden Patronen, ohne dass es aufgefallen ist

Unter den mehr als 50 000 Schuss Munition, die im vergangenen Jahr im Rahmen einer Durchsuchung bei einem ehemaligen SEK-Beamten im Zuge der Ermittlungen gegen die rechtsradikale Gruppe »Nordkreuz« gefunden wurde, waren auch 102 Patronen der sächsischen Polizei. Wie genau die in den Besitz des mittlerweile unter anderem wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz Verurteilten gelangt war, ist noch nicht aufgeklärt.

Wie der MDR Sachsen nun berichtet, war es der sächsischen Polizei bis zum Fund der Munition gar nicht aufgefallen, dass sie verschwunden war. Dies habe das sächsische Innenministerium auf Anfrage des Senders bestätigt, hieß es in einem Bericht vom Dienstagabend. »Die Aufhellung der Umstände, wie die Patronen in den Besitz des Beschuldigten gelangten, ist Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens«, schreibt das Ministerium. Dieses beruhe auf einer »Anzeige durch das Polizeiverwaltungsamt gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Diebstahls bzw. der Unterschlagung.«

Die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) erklärte dazu gegenüber »nd«: »Bei der Bundeswehr ist es normal, dass über den Verbleib von Munition genau Buch geführt wird. Das hält das sächsische Innenministerium bei der Polizei offenbar für überflüssig.« Dort merke man nicht einmal, wenn mehr als 100 Schuss verschwinden. Also werde auch der mögliche Verbleib nicht untersucht.

»Dass die gestohlenen Patronen dann bei einer Struktur der extremen Rechten wie ›Nordkreuz‹ auftauchen, kann nicht überraschen«, so Köditz. Schließlich erfolgten die Meldungen »über entsprechende Verwicklungen von Polizeibeamten in immer schnellerer Folge«. Niemand könne ernsthaft davon ausgehen, »dass es das ausgerechnet in Sachsen nicht gibt«, sagt die Politikerin. »Die fehlende Kontrolle ist mehr als eine Unterlassungssünde, sie verleitet geradezu zum Diebstahl«, ist sie sich sicher. Köditz weiter: »Seit Jahren wird uns versprochen, dass die extreme Rechte entwaffnet wird. Stattdessen verfügt sie über immer mehr Waffen.«

Die Abgeordnete erwartet von Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU), dass er endlich »ein wirksames Konzept zur Entwaffnung der Szene vorlegt«. Zudem sei eine wissenschaftliche Studie überfällig, die rassistische und extrem rechte Einstellungen in der sächsischen Polizei untersuche. Das fordere auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter. »Nur wenn wir das Ausmaß eines Problems kennen, können wir es wirkungsvoll bekämpfen«, betont Köditz.

Die in Mecklenburg-Vorpommern aufgetauchte Munition ist dabei laut MDR bei weitem nicht der erste Verlustfall bei der sächsischen Polizei. 2016 hatte demnach ein Leipziger Polizist im Einsatz eine Maschinenpistole mit dazugehöriger Munition verloren. Letztere wurde gefunden und abgegeben, die Waffe hingegen sei bis dato nicht wieder aufgetaucht.

Zwischen 2010 bis 2018 seien im Freistaat etwa 300 Patronen verloren gegangen, zudem eine Leuchtpatrone sowie neben der Maschinenpistole zwei weitere Pistolen, so der MDR unter Berufung auf das Innenministerium in Dresden. Doch längst nicht nur in Sachsen hat ein Problem mit verschollenen Waffen. Laut einem Bericht der »Welt« von Anfang Februar sind bei den Polizeibehörden der Bundesländer in den letzten zehn Jahren insgesamt 35 Dienstwaffen spurlos verschwunden. Bei Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Zollverwaltung würden zwölf Dienstpistolen vermisst, bei der Bundeswehr 58.

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