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Wie die linke Bubble nach Hanau versagt hat
Nach dem Anschlag reichen Beileidsbekundungen nicht mehr aus
Die größte Enttäuschung nach dem Attentat ist nicht, dass es zu erwarten war, hätte man die rechte Hetze der letzten Jahre seit Aufdeckung des NSU aufmerksam verfolgt. Die größte Enttäuschung ist, dass selbst in linken Kreisen, in meiner Blase, in meinem Freund*innenkreis, kaum jemand die Tragweite für Betroffene erkennt. Die wenigsten melden sich und fragen nach, wie es einem geht. Kaum eine*r gibt Zuspruch. Niemand nimmt Einen in den Arm. Weil ihr nicht betroffen seid. Ihr seid niemals Ziel von rassistisch motiviertem Terror.
Natürlich greifen Nazis linke Räume und Aktivist*Innen an. Rechte Gewalt gegenüber der linken Szene soll hier nicht verschwiegen werden. Doch der Unterschied liegt im Wort rechts – nicht rassistisch. Ihr, die weiße, linke Bubble, habt die Wahl, ob ihr nach der VoKü den Refugees-Welcome-Hoodie oder die mit Buttons versehene Bauchtasche an die Garderobe hängt. Ihr könnt aus eurer Rolle herausschlüpfen, um Gefahr zu entgehen. Ich kann das nicht, ich werde immer sichtbar als »Anders« markiert sein, ob ich will oder nicht. Ihr hingegen seid euch eurer sicher. Das alleine reicht schon, um zu vergessen, wie Empathie funktioniert. Es reicht schon, um sich nicht vorstellen zu können, dass die engsten Freund*innen in Angst leben und nicht wissen, wohin mit sich. Denn auch für euch, ob ihr es wollt oder nicht, wurden nur ein paar Kanaken abgeknallt. Das scheint tief in eurem Unterbewusstsein verankert. Das hat die Gesellschaft euch beigebracht.
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Schafft endlich Platz für Nicht-Weiße Menschen in linken Räumen!
Eure fehlende Empathie und die fehlende Bereitschaft, eure Verhaltensmuster zu hinterfragen, sind der Beweis. Zu dieser Bereitschaft zählen keine Kondolenz-Tweets, Solidaritätsbekundungen auf Instagram, anti-rassistischen Lesekreise oder Spendenaktionen für zivile Seenotrettung. Das reicht nicht. Nicht, solange ihr People of Color nicht als gleichwertige Opfer seht. Nicht, solange ein Anruf oder eine Whats-App-Nachricht zu viel verlangt sind. Nicht, solange ihr so leise protestiert. Ihr solltet euch vor Betroffene stellen. Ihr solltet laut sein. Ihr solltet eigeninitiativ emotionale Unterstützung leisten. Zeigt Betroffenen in eurem Umfeld, dass ihr da seid. Bezieht sie in den politischen Diskurs ein. Lasst sie zu Wort kommen und stellt eure Meinung erstmal hinten an. Hört ihnen zu und nehmt Kritik an.
Schützt sie, ohne ihr Leid zur Selbstbeweihräucherung zu vereinnahmen. Und vor allem: schafft endlich Platz für Nicht-Weiße Menschen in linken Räumen! Ihr habt uns bitter nötig.
Weil sie Zeynep heißen statt Lisa, in Neukölln wohnen und nicht in Mitte
Und bitte, tut dies nicht erst nach Aufforderung. Ich bin es leid, immer und immer wieder dieselben Dinge einzufordern, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Alleine das Schreiben dieses Textes verbraucht Energie, die ich anderweitig einsetzen könnte. Außerdem zeigt es, dass ihr uns einfach nicht seht. Ihr seid damit Teil des Problems. Denn solange diese Transferleistung fehlt, solange vermittelt ihr Betroffenen, dass sie entbehrlich sind. Weil sie nicht so aussehen wie ihr. Weil sie Zeynep heißen statt Lisa, in Neukölln wohnen und nicht in Mitte, Cay trinken und keinen Hagebuttentee.
Ihr relativiert damit den NSU, München, Halle, Hanau. Genau wie die AFD, die Medien, die Politik. Ihr könnt es euch leisten, denn ihr müsst keine Angst haben, euer Leben einfach weiterzuleben. Den Alltag einkehren zu lassen. In Cafés zu gehen, ohne ständig über die Schulter in Richtung der Tür zu blicken. Euer Leben ist kurzzeitig etwas unbequem, bei uns ist die Angst ständiger Begleiter. Ihr lasst Betroffene damit im Stich. Ihr lasst sie alleine mit der Angst, mit der Wut, mit der Enttäuschung. Mit der Unsicherheit, ob man weiter in diesem Land leben möchte.
Es starben keine Weißen mit blauen Augen
Das Interesse am Anschlag von Hanau wird wieder schwinden, wie jedes Mal. Es wird davon geredet werden, dass dies ein Angriff auf uns alle gewesen sei. Auf die gesamte deutsche Gesellschaft, die deutsche Demokratie. Auf Einigkeit und Recht und Freiheit. Aber das stimmt nicht. Denn es wurden nur ein paar Kanaken abgeknallt. Mal wieder. Das war kein Angriff auf »alle«, sondern auf »uns«. Den Rand der Gesellschaft. The margins. Auf alle mit dunkler Hautfarbe, auf alle mit schwarzen Haaren und langen Bärten, auf alle mit Kopftuch, auf alle mit Kippa. Auf alle, deren Tod für Deutschland zu verkraften ist. Es starben keine Weißen mit blauen Augen, blonden Haaren, die Max oder Laura hießen. Dann wäre hier die Hölle los.
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