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Husten Sie in die Kniekehle!

SIEBEN TAGE, SIEBEN NÄCHTE: Was die Linkspartei nicht geschafft hat, erledigt jetzt Corona, meint Wolfgang Hübner

In einer Berliner Kaufhalle. Man braucht ein paar Dinge des täglichen Bedarfs - H-Milch, Klopapier, Papiertaschentücher. Man geht zur Kasse und hört ein Gespräch ganz vorn. Kunde: »Die sind doch verrückt, wat die allet wegkoofen.« Kassiererin: »Allet wejen Corona.« Kunde: »Det is keen Koofen mehr, det is Hamstern. Klopapier fast alle, Tempos so jut wie weg. Irre.« Kassiererin: »Sogar H-Milch is bald alle.« Kunde: »Vollkommen bekloppt.« Kassiererin: »Ick weeß ja ooch nich.«

Dann ist man dran, auf dem Band liegen H-Milch, Klopapier, Taschentücher. Die Kassiererin sagt nichts, sie guckt nur. Die Blicke der anderen will man gar nicht sehen. Einmal nicht aufgepasst, schon steht man als Panikmacher und Hamsterer da.

Dabei war der Ursprung weit entfernt, irgendwo in China. Allerdings erkennen jetzt auch Mediziner, was Ökonomen und Börsianer längst wussten: Wenn China hustet, bekommt die Welt Schnupfen, verbunden mit Fieber und Ermattung. Wobei das Virus nicht so weit gekommen wäre, wenn Peking vorschriftsmäßig in die Armbeuge geniest hätte.

Das müssen jetzt wir tun. Besonders Gelenkige können auch in die Kniekehle husten. Wer die Fähigkeit dazu nachweisen kann, erhält von der Krankenkasse zehn Bonuspunkte, die er gegen Tempotaschentücher eintauschen darf. Weil es die ja kaum noch gibt. Erich Honecker würde von einer Rhythmusstörung in der Versorgung sprechen.

Wieso jetzt Honecker? Ach ja, wegen 30 Jahren. Nichts geschieht einfach so, hinter allem steckt irgendetwas. Was also könnte hinter den Versorgungsengpässen stecken?

Vorschlag 1: Es ist eine Marketingaktion des Einzelhandels. Der Umsatz muss angekurbelt werden - was schon zu lange im Regal liegt, muss endlich raus. Vorschlag 2: Die Bundeszentrale für politische Bildung will den Menschen vor Augen führen, wie die DDR-Regale die HO- und Konsumkunden angegähnt haben. Vorschlag 3: Sie wollen von irgendwas ablenken. Wobei sich jeder aussuchen kann, wer sie ist und was irgendwas ist.

Alles in allem: Der Kapitalismus ächzt und wird wohl bald zusammenbrechen. Der Sozialismus brauchte vier mächtige Hauptfeinde: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Denn zu jeder Jahreszeit herrschten fortschrittsfeindliche Bedingungen. Der Kapitalismus dagegen erzittert wegen eines winzig kleinen Feindes. Was die Linkspartei nicht geschafft hat, erledigt jetzt Corona.

Die DDR ging an mangelhafter Versorgung, fehlenden Reisemöglichkeiten und fehlender Meinungsfreiheit zugrunde. Und heute? Klopapier, Reis, Mehl, Zucker, Nudeln und Taschentücher sind schon Mangelware; die Internationale Tourismusbörse wurde abgesagt, und beim Flugwesen ist Flaute. So viel zu Versorgung und Reisen. Mit der Meinungsfreiheit wird Corona auch noch fertig.

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