Proleten mit Waffe

Roman Danyluk hat eine sozialrevolutionäre Geschichte über die »Bewegung 2. Juni« vorgelegt

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 3 Min.

Bücher und Filme über die »Rote Armee Fraktion« füllen meterweise Bibliotheken. Wenn man sich aber auf die Suche nach Arbeiten über andere Gruppen des bewaffneten Kampfes in der Bundesrepublik begibt, fällt das Ergebnis mager aus. Dabei bieten auch sie für Historiker interessantes Material. Roman Danyluk schließt mit seinem Buch eine Lücke in der Literatur.

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Roman Danyluk: Blues der Städte. Die Bewegung 2. Juni – eine sozialrevolutionäre Geschichte.
Edition AV, 548 S., br., 20 €.

In Westeuropa gründeten sich infolge der globalen Sozialrevolte 1967/68 nach und nach bewaffnete Gruppen, die sich am Guerillakampf in den lateinamerikanischen Städten orientierten und diesen auf westeuropäische Länder zu übertragen suchten. In der Bundesrepublik entstanden aus eher informellen Zusammenhängen die »Tupamaros West-Berlin«, die »Revolutionären Zellen«, die Frauengruppe »Rote Zora« sowie die »Bewegung 2. Juni«. In diesem Umfeld fand dann auch die Gründung der RAF statt. Die meisten dieser Gruppen verorten sich eher im Antiimperialismus jener Zeit als in der Tradition des Marxismus und der klassischen Arbeiterbewegung.

Bei der »Bewegung 2. Juni« war dies differenzierter. Sie entstammten dem widerständigen subproletarischen Milieu der »Mauerstadt«, entsprossen der Blues-Szene und den »Haschrebellen«. Gegründet im Januar 1972 und in ihrem Namen Bezug nehmend auf die Ermordung des Studenten Benno Ohnesorg bei einer Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin, waren die Aktivist*innen der »Bewegung 2. Juni« in ihrer Mehrheit Arbeiter*innen. Die proletarische Herkunft prägte deren Selbstverständnis im Gegensatz zum eher akademischen Duktus der RAF. Viele Mitglieder der »Bewegung 2. Juni« standen in engem Kontakt zu Klassengenoss*innen aus Arbeitervierteln und Trabantenstädten, zu Lehrlings- und Betriebsgruppen sowie zu Jugendzentren. Man bemühte sich um möglichst allgemeinverständliche Aufrufe und versuchte zu vermeiden, dass sich die Bevölkerung bedroht fühlte.

Der erste (etwas zu lange) Teil des Buches von Danyluk beschreibt die Vorgeschichte, von den ersten effektvollen Aktionen des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes bis zur Formierung einer außerparlamentarischen Opposition. Danyluk gelingt hier eine authentische lebensweltliche Darstellung, einschließlich der Macht der Musik und der Drogen, globaler wie persönlicher Revolte.

Nach diesem Vorspiel folgt die Geschichte der »Bewegung 2. Juni«. Hier stehen deren spektakulärste Aktionen wie die Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz 1975 im Zentrum. Danyluk beschreibt auch unorthodoxe, beispielsweise das Verteilen von Schokoküssen bei Banküberfällen.

Die »Bewegung 2. Juni« existierte bis 1980. Das Buch reflektiert auch die heftigen internen Debatten, die schließlich zu ihrer Auflösung führten. Heute scheint diese Stadtguerilla aus dem Gedächtnis der Linken fast völlig verschwunden zu sein. Danyluk tritt dieser Geschichtsvergessenheit entgegen.

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