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Ausgerechnet in diesem Jahr
Viele kleine Unternehmen, Buchverlage, Clubs und Freiberuflerinnen stürzt das Coronavirus in Existenznot.
Fayçal Hamouda hat bis zuletzt gehofft, dass die Leipziger Buchmesse stattfindet. Mit zwei Ständen wollte er dort mit seinem kleinen Verlag Edition Hamouda vertreten sein. Der bringt jährlich etwa zehn Werke heraus, die dem Kulturdialog gewidmet sind - gegen Hass und Rassismus. Was hätte es wichtigeres geben können, in diesem Jahr, nach Hanau? Aus dem Radio hat er schließlich erfahren, dass die Messe wegen des Coronavirus abgesagt wurde. »Das ist natürlich sehr traurig für uns als kleiner Verlag«, erklärt Hamouda im Gespräch mit dem »nd«. »Besonders für uns als Leipziger Verlag.« Die Buchmesse sei für ihn die wichtigste Veranstaltung des Jahres. »Dort können wir uns auch einem breiteren Publikum zeigen«, so Hamouda, dessen Verlag sich großflächige Werbung in Zeitungen nicht leisten kann. Aber auch der Kontakt und der Austausch mit den Leserinnen und Lesern sei ihm wichtig.
Auf den hatte sich auch Petya Lund vom eta Verlag gefreut. 2016 als Dialogführer im Prenzlauer Berg in Berlin gegründet, bringt der Verlag vor allem Werke von Autor*innen aus Südosteuropa heraus. »Es ist ein Horrorszenario«, sagt Lund dem »nd« in Hinblick auf die Absage. »Dieses Jahr war wirklich unsere große Hoffnung.« Schon lange hatte sich der Verlag auf die Buchmesse vorbereitet, bei der dieses Mal Südosteuropa im Fokus gestanden hätte. »Dass sie ausgerechnet dieses Jahr ausfällt, ist besonders schlimm für uns«, erklärt Lund. Der Verlag habe endlich auf mehr Sichtbarkeit gehofft. »Und wir hatten sogar ein nominiertes Buch«, sagt Lund. »Die Sanftmütigen« von Angel Igov, aus dem Bulgarischen übersetzt von Andreas Tretner, hatte es in der Kategorie Übersetzung unter die besten fünf Titel geschafft. »Das war ein richtiger Durchbruch für uns«, so Lund. Der Verlag habe die Druckauflage erhöht und Kartenlesegeräte bestellt, da in diesem Jahr erstmals auch der Verkauf von Büchern erlaubt gewesen wäre. Nun ist der Traum aus, und auch finanziell sehe es nun schlecht aus: Der Schaden für den kleinen Verlag liege im knapp fünfstelligen Bereich. »Selbst wenn wir das Geld für die Standmiete zurückbekommen, niemand wird uns für die gebuchte Reise und die Unterkunft entschädigen können.«
In finanzielle Schwierigkeiten geraten nicht nur Verlage. Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) halten im Gastgewerbe 66 Prozent der befragten finanzielle Unterstützungshilfe für notwendig, im Reisegewerbe sind es demnach 60 Prozent. Auch andere Branchen sind erheblich betroffen. Im Handel berichten 59 Prozent der Unternehmen von Auswirkungen der Epidemie auf ihre Geschäfte, bei Dienstleistern sind 61 Prozent, in der Industrie 54 Prozent.
Auch für Messeaufbauer wie Frank W. bedeuten die Absagen von Großveranstaltungen wegen des Coronavirus herbe Verluste. »Zehn Prozent meines Jahresumsatzes sind weg«, sagt W. dem »nd«. Auf zwei Messen wollte der gelernte Tischler in der nächsten Zeit arbeiten. »Die zwei größten Aufträge des Jahres.« Daran, dass staatliche Förderung bei kleinen Unternehmen ankommen wird, glaubt er nicht. »Natürlich werden zuerst große Unternehmen, die viele Arbeitsplätze sichern, Gelder bekommen.« Wie er mit dem Ausfall umgehe? »Ich versuche, meine Tischler-Connections zu nutzten und jetzt noch schnell an andere Aufträge zu kommen«, sagt er. »Aber da bin ich nicht der einzige. Es gibt eine große Anzahl an Messebauern - die sind jetzt alle offen für neue Aufträge.«
Absagen aufgrund der Pandemie hätten der Messebaubranche in Deutschland bislang einen Schaden von 890 Millionen Euro bereitet, so der Messeverband Famab. Ausfälle für Dienstleister wie Cateringunternehmen, Eventagenturen, Technikdienstleister oder Möbellieferanten eingerechnet, belaufe sich der Schaden sogar auf rund 2,13 Milliarden Euro. In den sozialen Medien diskutieren betroffene Einzelunternehmer*innen bereits unter den Hashtags Messebau und Verdienstausfall darüber, wie es für sie weiter gehen soll. »Was wird mit Selbstständigen wie mit mir, die sich seit Jahren ihren A…. aufgerissen haben, damit die Messestände großer Unternehmen pünktlich fertiggestellt wurden. Was ist mit unseren unverschuldeten Verdienstausfällen durch COVID2019?«, fragt Özcan Önder das baden-württembergische Wirtschaftsministerium auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter.
Inzwischen sind nicht mehr nur große Messen wegen des Coronavirus abgesagt worden. In den meisten Bundesländern sind Großveranstaltungen ab 1000 Personen mittlerweile untersagt. Konzerte, Fußballspiele vor leeren Stadien, in Berlin bleiben staatliche Theater und Opern bis mindestens 19. April geschlossen. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) teilte am Mittwoch mit, er hoffe, dass bei den Beratungen auf Bundesebene zum Umgang mit den Folgen der Corona-Ausbreitung auch die finanziellen Folgen für die Kulturinstitutionen berücksichtigt werden. »Sie allein zu lassen, wäre unverantwortlich«, so Lederer.
Alleingelassen fühlt sich Anna Baldauf, die ihren Lebensunterhalt freiberuflich in der Bildungsarbeit bestreitet und nicht weiß, an wen sie sich überhaupt wenden könnte. »Wenn die Teilnehmenden absagen, haben meine Auftraggeber auch keine Einnahmen und können mich nicht bezahlen. Ich bekomme kein Ausfallhonorar. Keine Ahnung, wovon ich jetzt die Miete bezahlen soll.«
Existenznot herrscht auch bei vielen Berliner Clubs: Der Verband der Berliner Club- und Kulturveranstalter, Clubcommission, sprach von der »größten Nachkriegskrise der Berliner Kulturszene«. Schon jetzt kämen bis zu 30 Prozent weniger Besucher*innen - »eine Schließung von nur wenigen Wochen würde unweigerlich zur Insolvenz der meisten Clubs führen«, so die Clubcommission, die auch nach anderen Möglichkeiten sucht, die Verbreitung des Virus einzudämmen. So könnten sich künftig beispielsweise alle Besucher*innen beim Einlass mit ihrer Telefonnummer oder E-Mail-Adresse registrieren.
Fayçal Hamouda vom Verlag Edition Hamouda versucht, irgendwie mit der Situation klarzukommen. »Wir müssen da jetzt durch. Corona ist eine globale Katastrophe. Ich hoffe einfach, dass die Mehrheit der Menschen hier verschont bleibt.«
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