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Kneipenverbot: Feiern, bis die Polizei kommt
Samstagnacht setzten Beamte die Verordnung durch
Am Samstagabend um 21 Uhr ist in der Partymeile Simon-Dach-Straße in Berlin-Friedrichshain wenig zu spüren von den drastischen Maßnahmen, die der Senat kurz zuvor ergriffen hat, um die Verbreitung des Coronavirus wenigstens zu verlangsamen. Gerade mal zwei Kneipen haben offensichtlich geschlossen. Gegen 18 Uhr am Samstag kam die Pressemitteilung mit der Verordnung des Berliner Senats. Der Inhalt: Ab sofort sind wegen der Ansteckungsgefahren mit dem Coronavirus alle öffentlichen und nichtöffentlichen Veranstaltungen ab 50 Teilnehmern untersagt. Kneipen, Clubs, Spielhallen, Messen und ähnliche Unternehmen durften nicht mehr für den Publikumsverkehr geöffnet werden. Dasselbe gilt für Kinos, Theater, Konzerthäuser, Museen, Ausstellungen und ähnliche Einrichtungen, ebenso für Bordelle.
»Ich habe das noch mitbekommen, war aber schon dabei, den Laden aufzumachen«, sagt ein Barkeeper einer Raucherkneipe in der nicht zuletzt nachts bei Touristen beliebten Simon-Dach-Straße. Er möchte weder seinen noch den Namen des Lokals in der Zeitung lesen. Im Gegensatz zu Restaurants müssen diese sofort schließen. Wo Speisen angeboten werden, ist laut Verordnung ein Mindestabstand von 1,50 Meter zwischen den einzelnen Tischen vorgeschrieben. Doch davon ist nirgends etwas zu sehen.
Zwei Einsatzhundertschaften der Polizei seien zusammen mit zivilen Kräften unterwegs. Man wolle »die Auswirkungen dieser Verordnung erklären. Notfalls müssen sie Platzverweise aussprechen & diese auch durchsetzen«, twittert die Behörde um halb neun Uhr abends. Da läuft in dem kleinen Laden der Betrieb noch regulär. Allerdings ist nur etwa jeder zweite Platz besetzt. Zumindest die Berliner Nachtschwärmer waren schon über die Schließungsverfügung informiert, die S- und U-Bahnen unweit des Ausgehviertels sind für einen Samstagabend sehr übersichtlich gefüllt.
Falk, ein Verkäufer von Obdachlosenzeitungen, kommt in die Kneipe. Auch er weiß Bescheid. »Ich bin jetzt arbeitslos«, sagt er in einem Tonfall zwischen Verzweiflung und Empörung. »Soll ich mich jetzt vor den Supermarkt stellen? Dort wechseln sich die Leute doch schon in Drei-Stunden-Schichten ab!« Er macht sich wieder auf den Weg, um vielleicht noch ein paar Euro verdienen zu können.
Kurz nach 22 Uhr sind die Beamten da. »Sie müssen die Gaststätte schließen. Die Leute dürfen noch austrinken. In einer halben Stunde sind wir wieder da, dann müssen alle weg sein«, lautet die knappe Ansage. Der Barkeeper sagt zu, die Anweisung einzuhalten. »Bisher haben die Menschen in allen Gaststätten besonnen reagiert«, berichtet der Beamte auf Nachfrage von »nd«.
In der »Bretterbude«, einer Metal-Kneipe ein paar hundert Meter weiter, läuft der Betrieb noch wie gehabt. Der Wirt, der seinen Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen will, geht noch davon aus, dass er erst am Dienstag schließen muss. Auch hier fährt bald die Polizei vor. Er bekommt eine Stunde Frist, bis er geschlossen haben muss. »Dann soll es aber auch dunkel sein und Sie gerade beim Abschließen!« Dafür werden auch seine Personalien aufgenommen.
»Schlag die Betten auf, wir bleiben hier«, sagt eine ältere Stammgästin spontan. Dem Wirt ist nicht nach Lachen zumute. »Den Ausfall wird uns kein Schwein zahlen«, befürchtet er. Die anwesenden Gäste versprechen, Geld für ihn zu sammeln. »Gestern wollten mir schon Leute mal 20, mal 50 Euro zustecken«, berichtet er. »Ich bin doch Kneipier und kein Spendensammler«, habe er da noch gesagt. Seine Frau tupft sich dezent die Tränen aus den Augen. Die Miete, das Sky-Abo, wie sollen die Fixkosten gestemmt werden? Es ist offensichtlich: Die kleinen Gewerbetreibenden werden als erste Probleme mit ihren Vermietern bekommen, wenn sie nicht mehr zahlen können. Im Gegensatz zu Wohnungsmietern genießen sie fast keinen Kündigungsschutz.
»Von 263 bestätigten Fällen in Berlin sind 42 auf einen Club zurückzuführen«, erklärte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Samstagabend bei Twitter. Deshalb habe sie mit den Amtsärzten der Stadt die Schließung der Clubs und das Verbot von Veranstaltungen erwirkt. »Es ist einfach nicht die Zeit für Partys«, so Kalayci.
Nun ruft das Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg nach einem bestätigten Coronafall im Club »Kater Blau« alle Menschen auf, die am 6. und 7. März dort waren, zu Hause zu bleiben und sich beim Amt zu melden.
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