Diplomatie mit Coronatests
Schnelltests aus Südkorea sind weltweit begehrt, die Regierung in Seoul weis das zu nutzen
Mit höchster Dringlichkeit und »unverzüglich« soll nun der internationale Fluss von Medizingütern begünstigt werden. Das kommunizierten die Außenminister der G20 nach einer Telefonkonferenz Anfang der Woche. Einmal mehr hatten die 20 wirtschaftskräftigsten Industriestaaten eine virtuelle Krisensitzung einberufen. Die Regierungen waren sich einig: Plötzlichen Preisanstiege für Güter zur Bekämpfung des Coronavirus wolle man entschieden entgegenwirken.
In Südkorea dürfte man sich unterdessen die Hände reiben. In den vergangenen Wochen hat das Land weltweit Schlagzeilen gemacht, weil es in der Lage gewesen ist, flächendeckend Personen auf das Virus zu testen. Auch deshalb ist es in Südkorea gelungen, die Ausbreitung von Covid-19 zunächst einzudämmen. Nachdem die Zahl infizierter Personen zwischen Mitte Februar und Anfang März von 28 auf über 5000 gesprungen war, waren es Ende März knapp 10 000. Die Wachstumsgeschwindigkeit konnte also aufgehalten werden. Weltweit suchen Regierungen seither nach Rat aus Seoul.
Und nach Material. Laut der Tageszeitung »Hankyoreh« sind in Südkorea mittlerweile Anfragen aus 117 Ländern zu Testkits eingetroffen. In 81 Fällen habe der öffentliche Sektor der Länder angefragt, im Rest der Fälle waren es privatwirtschaftliche Institutionen. Am vergangenen Sonntag verkündete die Koreanische Agentur für Technologie und Standards, dass eine in Südkorea entwickelte DNA-Amplifikationstestmethode auf dem Weg zum Standard der Internationalen Organisation für Normung (ISO) ist. Der letzte verbleibende Schritt zur Standardisierung sei die Zustimmung der Mitgliedsstaaten, die zu erwarten ist.
Die Medizintechnikbranche des Landes erwartet damit wohl ein Milliardengeschäft. Nachdem Mitte März eine Handvoll Unternehmen im Schnellverfahren eine koreanische Lizenz für Tests erhalten hatten, sind nun mehrere Betriebe nachgerückt. Die Möglichkeit, Tests des Coronavirus zu produzieren, ist auch so groß, weil Südkorea vor fünf Jahren von der Atemwegserkrankung Mers stark betroffen war. Bei nur 186 Infizierten starben damals 38 Personen. Das Wissen aus jener Krise ist heute hilfreich.
»Unser Schnelltest wirft innerhalb von zehn Minuten ein Ergebnis aus«, sagt Kim Sung-chul, der für das Unternehmen Sugentech spricht. Der koreanische Betrieb will das Testkit nun auf alle Erdteile exportieren. »Pro Woche können wir 500 000 Stück produzieren. Ein Test kostet 17,50 US-Dollar.« Der Aktienpreis von Sugentech hat sich im vergangenen Monat fast verfünffacht, Papiere des Konkurrenzherstellers Seegene verdreifacht. Anderen Betrieben aus der Branche geht es ähnlich.
Auch Südkoreas Regierung erlebt gerade so etwas wie eine Aufwertung. Präsident Moon Jae-in sowie seine Minister haben in den letzten Wochen mehrmals das südkoreanische Krisenmanagements auf internationalen Telefonkonferenzen erklärt. Und indem koreanische Ware nun hochgefragt ist, scheint sich die diplomatische Verhandlungsposition sogar direkt zu verbessern.
Zum Beispiel im schwierigen Kontakt mit den USA. Kurz nach seinem Amtsantritt hatte US-Präsident Donald Trump noch erzwungen, einen Handelsvertrag umzuschreiben, indem er kurzerhand schmerzliche Strafzölle auf Stahl aus Südkorea verhängt hatte. Südkoreas Beziehungen zum wichtigsten militärstrategischen Partner litten darunter erheblich. Nachdem die USA aber vor Kurzem ausdrücklich darum baten, Testkits aus Südkorea beziehen zu können, sieht die Sache nun anders aus. Von Einreisebeschränkungen in die USA sind südkoreanische Staatsbürger ausgenommen. Zudem wurde ein Währungsswapgeschäft vereinbart.
Selbst mit Japan scheint sich die Beziehung zu verbessern: Chae Song-hwa vom koreanischen Wirtschaftsministerium berichtete Anfang der Woche von Anfragen für Testkits aus dem Nachbarland. »Südkoreas Technologie für die Diagnose von Infektionskrankheiten scheint als Katalysator für die diplomatische Reputation zu dienen«, schreibt die Zeitung »Hankyoreh« nicht ohne Stolz.
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