Zu wenig Abstand in der U-Bahn

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»In Teilen der U-Bahn herrschen noch immer skandalöse Zustände«, sagt Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbands IGEB. Ob U5, U6 oder U8 - gerade im Berufsverkehr sind Züge nach wie vor gut gefüllt. Sie sind nicht brechend voll, aber so, dass der wegen der Corona-Ansteckungsgefahr empfohlene Abstand von 1,50 Meter nicht eingehalten werden kann. »Das gefährdet Menschenleben«, so Wieseke.

Petra Nelken, Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), erklärt auf nd-Anfrage, dass auch bei ihr entsprechende Beschwerden und Fotos einträfen. »Die Züge sind natürlich im Berufsverkehr voller, aber nicht überfüllt«, sagt sie. Die Kapazitäten der BVG seien begrenzt. »Der Krankenstand liegt fünf Prozentpunkte höher als bei einer Grippeepidemie. Da fallen normalerweise schon Fahrten aus«, so die Sprecherin. Die Zahl der Fahrgäste sei jedoch auf etwa ein Viertel des Regulären gefallen. »Da steht niemand Kinn an Kinn«, sagt Nelken. Im Fahrdienst ist derzeit nach nd-Informationen ein Fünftel der Bediensteten krankgemeldet, im Vertrieb, der wegen geschlossener Schalter derzeit weniger zu tun hat, liegt die Quote sogar bei 27 Prozent. »Wenn wir noch etwas durchhalten sollen, müssen wir jonglieren«, erklärt Nelken. Am Dienstag stellte die BVG den Betrieb von fünf Buslinien ein.

»Man kann sich den Krankenstand doch nicht aufsparen«, sagt Jens Wieseke, der die Argumentation nicht nachvollziehen kann. »Die ODEG fährt 100 Prozent der regulären Leistung, die S-Bahn 90 Prozent, die BVG deutlich weniger. Das offenbart, wie kaputtgespart das Unternehmen ist«, so Wieseke.

Immerhin Streiks drohen derzeit nicht. Eigentlich sollten die Tarifverhandlungen für einen neuen Manteltarifvertrag beginnen. Doch diese sind erst einmal ausgesetzt. »Wir halten die Uhr an, denn für uns alle steht jetzt an erster Stelle, in dieser Krise als Kolleg*innen verantwortungsvoll zusammenzustehen«, schrieb der zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretär Jeremy Arndt den Kollegen. »Für Verdi steht im Vordergrund, das Einkommen in der Krise zu sichern, die Gesundheit aller Kolleg*innen im Einsatz zu schützen.« Er halte das Vorgehen des Tarifpartners für angemessen und partnerschaftlich, ließ BVG-Personalvorstand Dirk Schulte die Beschäftigten im BVG-Intranet wissen. »Ich befürworte dies ausdrücklich und bedanke mich auch an dieser Stelle für das nötige Augenmaß«, so Schulte weiter.

»Gerade jetzt, wo die BVG auch systemrelevant ist, sollten ja Gehaltserhöhungen vermittelbar sein. Aber Verdi lässt das genau wegen der Krise lieber ruhen«, drückt ein Beschäftigter sein Unverständnis für das Vorgehen aus.

Für Irritation bei BVG-Beschäftigten hatte kürzlich die Mitteilung von Arndt gesorgt, dass Verdi und der Kommunale Arbeitgeberverband über einen Tarifvertrag Kurzarbeit verhandelten. Derzeit sei keine Kurzarbeit geplant, teilte der Unternehmensvorstand mit.

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