Beatmung für die SPD
In Nürnberg fällt der Oberbürgermeisterposten allerdings an die CSU
Unter außergewöhnlichen Bedingungen ist die zweite Runde der Kommunalwahl in Bayern am vergangenen Wochenende über die Bühne gegangen. Zum ersten Mal konnten die Bayern bei den notwendig gewordenen Stichwahlen in Städten und Landkreisen nur per Briefwahl abstimmen. Wegen der Coronakrise blieben die Wahllokale geschlossen, auszählen mussten die Wahlhelfer mit Schutzmasken.
In München konnte Amtsinhaber Dieter Reiter (SPD) sein Mandat als Oberbürgermeister mit großem Vorsprung verteidigen, während in Nürnberg das Amt von den Sozialdemokraten an die CSU überging. Insgesamt war die Kommunalwahl 2020 für die bayerische SPD eine bittere Pille. Bei den Stichwahlen wurde diese nun quasi mit Sahnehäubchen versüßt. In mehreren großen Städten liefen die Oberbürgermeister-Stichwahlen für die Sozialdemokraten bestens.
In München, wo Amtsinhaber Dieter Reiter mit sehenswerten 71,7 Prozent wiedergewählt wurde, landete seine Kontrahentin Kristina Frank von der CSU klar abgeschlagen bei 28,3 Prozent. Damit kann Reiter auch die nächsten sechs Jahre die bayerische Landeshauptstadt regieren, allerdings mit einer massiv geschrumpften SPD-Fraktion im Stadtrat. Gewinner der Stadtratswahl waren eindeutig die Grünen, die zur stärksten Fraktion wurden. Derzeit laufen die Koalitionsgespräche, die über eine Nachfolge der bisherigen Koalition aus SPD und CSU entscheiden sollen.
Auch in Bamberg, Erlangen und Aschaffenburg hatten die SPD-Kandidaten bei der Stichwahl um die Rathaus-Chefposten die Nase vorn. In Ingolstadt - dem Hauptsitz des Autobauers Audi und Heimat von Bundesinnenminister Horst Seehofer - gab es sogar eine kleine Sensation: Nach einem halben Jahrhundert musste Seehofers CSU den Chefsessel im Rathaus einem Sozialdemokraten überlassen: Der neue Oberbürgermeister heißt Christian Scharpf.
Demgegenüber ist das Wahlergebnis in Nürnberg ein bitterer Wermutstropfen und eine schmerzliche Niederlage für die SPD. Die Frankenmetropole ist Bayerns zweitgrößte Stadt und galt seit Jahrzehnten als Hochburg der Sozialdemokratie. Ulrich Maly bekleidete immerhin 18 Jahre lang das Amt des Oberbürgermeisters. Doch sein von der Partei designierter Nachfolger - Nürnbergs SPD-Chef Thorsten Brehm - zog in der Stichwahl gegenüber dem Vorsitzenden der CSU-Rathausfraktion, Marcus König, den Kürzeren. Folgerichtig frohlockte CSU-Chef Markus Söder angesichts des »tollen Erfolgs« in seiner Heimatstadt, während der bayerische SPD-Generalsekretär Uli Grötsch einräumte: »Nürnberg tut ungeheuer weh.«
Der Erfolg der SPD bei diesen Stichwahlen in den großen Städten Bayerns ist Balsam auf eine ansonsten geschundene Seele, hatten die Sozialdemokraten doch vor zwei Wochen bei den Stadtratswahlen in den kreisfreien Städten sowie den Kreistagswahlen in den Landkreisen ihr landesweit bisher schlechtestes Kommunalwahlergebnis hinnehmen müssen. So ging es im Vergleich zu 2014 für die SPD sieben Prozentpunkte nach unten, die Partei erhielt insgesamt nur mehr 13,7 Prozent. Die Zahl der sozialdemokratischen Landräte ist von vier auf drei geschrumpft.
Auch die CSU hatte bei der Kommunalwahl verloren und schnitt mit 34,5 Prozent so schlecht ab wie seit 1952 nicht mehr. Sie stellt aber immer noch 53 der insgesamt 71 Landräte im Freistaat. Und sie hat neben Nürnberg auch in Augsburg (erneut) den OB-Posten für sich geholt.
Die Grünen feierten bei den Stadtrats- und Kreistagswahlen vor zwei Wochen mit 17,3 Prozent (plus 7,1 Punkte) einen großen Erfolg, die Partei ging am Wochenende aber leer aus. Hingegen stellen die Freien Wähler künftig 14 statt zwölf Landräte. Die Linke in Bayern hatte sich mit 107 neuen Mandaten zufrieden mit der Kommunalwahl gezeigt. Der Liedermacher Hans Söllner, dessen Kandidatur im Vorfeld für Furore gesorgt hatte, erreichte in seiner Heimatstadt Bad Reichenhall als OB-Kandidat 8,4 Prozent der Stimmen.
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