- Politik
- Coronavirus-Pandemie
Gefangene: Protest gegen Dauereinschluss
Eine Solidaritätsgruppe fordert eine bessere Behandlung von Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt in Tonna
»Die Gefangenen aller Hafthäuser bekamen Dauereinschluss und wurden je nach Hafthaus getrennt zum Hofgang geführt«, berichtete Konstantin Behrends von der Jenaer Gruppe gegenüber »nd«. Sie hätten aber keinerlei Information über den Grund der Maßnahme erhalten. Gefangene hätten wegen des Vorfalls Kontakt mit der Soli-Initiative aufgenommen, sagt Behrends. Die GG/BO wurde 2013 von Gefangenen gegründet, die für ihre Rechte hinter Gittern kämpfen wollten.
Der Pressesprecher des Justizministeriums von Thüringen, Oliver Will, teilte auf nd-Nachfrage mit, dass zur Corona-Vorbeugung besondere Maßnahmen für die Gefängnisse im Freistaat getroffen werden. Dazu gehöre auch die »vorübergehende grundsätzliche Untersagung des Besuchsverkehrs«. Auch würden derzeit »grundsätzlich keine Lockerungen und keine Ausführungen gewährt«.
Zudem, so Will, seien in den JVA »spezielle Zugangsbereiche« eingerichtet worden, »in denen neu aufzunehmende Gefangene für einen gewissen Zeitraum von den übrigen separiert werden können, um zu klären, ob von ihnen ein Infektionsrisiko ausgeht«. Der Ministeriumssprecher betonte, die Entscheidungen würden gegenüber den Gefangenen »so transparent wie möglich« gemacht. Dem widerspricht Konstantin Behrends.
Immer wieder klagten Inhaftierte gegenüber der GG/BO, dass ihnen Maßnahmen nicht erklärt würden. Sie litten sowohl unter der mangelnden Transparenz als auch unter Besuchsverboten und Ausgangsgangsperren. Der Gefangenenunterstützer befürchtet, dass es in der nächsten Zeit vermehrt zu Suiziden von Gefangenen kommen könne. In einem offenen Brief an den thüringischen Justizminister Dirk Adams (Grüne) fordert die Jenaer Soligruppe der GG/BO die Aufhebung des Besuchsverbots und die Rücknahme der Ausgangssperren.
»Diese Maßnahmen bieten keinen wirksamen Schutz vor Corona-Infektionen, sondern führen nur zu noch mehr Isolation und psychologischer Zerrüttung unter den ohnehin vom gesellschaftlichen Leben abgeschnittenen Gefangenen«, begründet Behrends die Forderungen. Unter Verweis auf Berlin fordert er auch in Thüringen in der Corina-Krise die Entlassung von Häftlingen mit geringen Strafen.
Dafür kämpft auch Manuela Schulze. »Ich habe meinen Mann das letzte Mal Ende Januar besuchen können. Seitdem hatten wir keinen Kontakt mehr«, berichtet die Frau, deren Ehemann in der JVA Untermaßfeld in Thüringen inhaftiert ist. Sie hat sich mit weiteren Frauen zusammengeschlossen, die ihre inhaftierten Partner nicht besuchen dürfen. Sie haben an verschiedenen Behörden zudem geschrieben und sie gefragt, wie das Abstandsgebot von mindestens eineinhalb Metern in einem Gefängnis eingehalten werden soll.
»Wir haben Angst um unsere Männer«, schrieben die Frauen. Antwort haben sie bislang nicht bekommen. Schulze will jetzt einen neuen Besuchstermin am 21. April beantragen. Gemeinsam mit der GG/BO-Soligruppe und Nichtregierungsorganisationen fordert Schulze die Freilassung der Gefangenen bis zum Ende der Corona-Krise. In Ländern wie der Türkei und dem Iran wurden in den letzten Wochen bereits befristete Entlassungen von Gefangenen verfügt.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.