- Kommentare
- Coronakrise und Klimawandel
Unsere Krisen sind politisch
Elena Balthesen über den unterschiedlichen Umgang mit der Coronakrise und dem Klimawandel
Die CO2-Emissionen sinken - aber bei »Fridays for Future« freut sich niemand. Dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 jetzt vielleicht doch erreichen kann, kommt ja nicht durch das Klimapäckchen der Bundesregierung, sondern durch die Corona-Pandemie. Diese Tragödie ist selbstverständlich kein Anlass zur Freude. Außerdem: Der Lockdown, der gegen die rapide Ausbreitung des Virus hoffentlich helfen wird, liefert für das Klima wohl keine nachhaltige Lösung.
Seit das Thema Corona alles beherrscht, taucht auch die Klimakrise nur noch in diesem Zusammenhang auf. Die Gegenüberstellung ist tatsächlich interessant: Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler*innen vereint vor der Klimakrise und mahnen politische Steuerung an, doch die Mächtigen dieser Welt interessieren sich kaum dafür. Bei dieser Pandemie ist das anders. Expert*innen sprechen Empfehlungen aus, und die Politik reagiert mehr oder weniger schnell. Persönliche und demokratische Rechte werden massiv eingeschränkt. Sogar in der heiligen Wirtschaft scheint plötzlich Veränderung möglich zu sein.
Nun wird vieles umgesetzt, was vorher angeblich unmöglich war. Vielleicht weil für alle ein Virus viel greifbarer erscheint oder weil es eine akute Bedrohung ist, während das Klima sich langsamer wandelt. Unvernünftig ist es trotzdem, den Klimawandel nicht als akute Krise zu behandeln. Viele Politiker*innen freuen sich vermutlich darüber, dass sie sich nicht mehr so um dieses Klimathema kümmern müssen. Am Ende des Jahres werden sie dann stolz präsentieren, dass Deutschland sein Klimaziel erreicht hat. Dass der Grund dafür in der Coronakrise und einem viel zu warmen Winter zu finden ist, wird eine Randnotiz sein.
Sobald die Coronakrise nicht mehr den Großteil unserer Aufmerksamkeit erfordert, sollten wir aus ihrem Management lernen - auch für die Klimakrise, die mit all ihren schwerwiegenden Folgen natürlich nicht verschwunden ist, auch wenn sie jetzt aus dem Fokus gerät. Wir sehen gerade, dass Politik eine Krise sehr wohl steuern und beeinflussen kann. Sichtbar wird aber auch, woran wir arbeiten müssen. Wie die Klimakrise sieht die Corona-Pandemie nur auf den ersten Blick unpolitisch aus. Sie ist nicht nur ein gesundheitliches Problem, sondern auch ein soziales. Das Virus kann alle treffen - wer aber keinen Zugang zu einem guten Gesundheitssystem hat, dessen Leben ist stärker bedroht. Wer in einer kleinen Wohnung lebt, leidet mehr unter der Isolation als jemand, der ein großes Haus samt Garten hat. Die Gerechtigkeitsprobleme der Welt finden sich bei Corona - und beim Klimawandel. Auch der trifft die ohnehin Marginalisierten am meisten. Das gilt innerhalb von Ländern, aber auch global. Am verletzlichsten sind viele Länder des Südens, aber der reiche Norden hat das Problem größtenteils verursacht.
Wir brauchen echte und Solidarität auf globaler Ebene für Klimagerechtigkeit. Dass es den gerade nicht gibt, obwohl die ganze Welt zusammen in der Coronakrise steckt, zeigt der blamable Umgang Europas mit den Flüchtlingslagern in Griechenland.
Wie soll das erst in ein paar Jahren aussehen, wenn wir noch tiefer in der Klimakrise stecken? Wenn Million Menschen ihre Heimat verlassen müssen? Festung Europa und fertig? Wir können noch so viele Emissionen hin- und herrechnen sowie unambitionierte Ziele erreichen - für Klimagerechtigkeit und echten Klimaschutz braucht es viel mehr.
Wir als Klimabewegung müssen das Momentum richtig nutzen. Zurzeit probieren wir das mit Webinaren und Talks for Future im Netz, um uns fortzubilden, weiter zu vernetzen, Strategien auszuarbeiten. Dauerhaft bleiben werden wir aber nicht im Netz. Sobald es möglich ist, erobern wir wieder die Straßen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.