Augen zu und durch

Die Bundesliga will die Saison mit Ach und Krach beenden. Die Spielergehälter werden sinken, prophezeit Christoph Ruf

Sie wollen es also tatsächlich durchziehen. Wenn es irgendwie geht, will der deutsche Profifußball ab Anfang Mai wieder seine Ligaspiele austragen. Ohne Zuschauerbeteiligung, versteht sich, aber eben ansonsten so »normal« wie möglich. Elf gegen elf, um Punkte, mit Videoschiedsrichter.

So befremdlich man diese Pläne zunächst finden kann in Zeiten, in denen das Dortmunder Stadion vier Wochen vor einem möglichen Kickoff zu einem Ambulanzzentrum umgebaut wird, so zweckrational ist der Plan letztlich. Zumindest, wenn man akzeptiert, dass der Profifußball eine grotesk überfinanzierter Kulissenstadt ist, in der einzelne Häuser schon nach wenigen Wochen einstürzen.

Dass sich Unternehmen mit Hunderten Angestellten nicht länger über Wasser halten können als eine kleine Eckkneipe, mag dabei verwundern, zumal drei Viertel der TV-Gelder und natürlich sämtliche Dauerkarteneinnahmen schon lange geflossen sind und verbucht wurden. Doch was nützen dreistellige Millionenetats, wenn - Ausnahmen wie der FC Bayern oder der SC Freiburg bestätigen die Regel - Rücklagen verpönt sind und jeder Euro aus Fanshop und Ticketverkauf sofort wieder in die Hände von Spielern und Beratern fließt?

Reflektiert wird das alles gerade von vielen, darunter auch von einigen im Management der Liga, die seit Längerem mit einem ganz schlechten Gefühl vor sich hin wursteln. Das Wort Blase fiel ja durchaus schon 2019, 2018, 2017. Nun, 2020, ist die Blase geplatzt. Weitergespielt wird natürlich trotzdem. Und, ehrlich gesagt, freut das ja auch Millionen von Menschen. Wie groß die Verzweiflung in der spielfreien Zeit ist, zeigen die Einschaltquoten. Am Samstag haben 1,23 Millionen Menschen ein Spiel zwischen Bayern und Dortmund angeschaut, das bereits 2014 stattfand. Ab Mai dürfte die Nation wieder gebannt das aktuelle Geschehen verfolgen.

Dabei habe ich in den letzten Wochen nicht mit einem einzigen Ligavertreter gesprochen, der sich auch nur in einem Satz über die sportliche Situation seines Klubs geäußert hätte, wenn es darum ging, wann wohl wieder gespielt werden könne. Welche Chancen hat Verein B gegen C? Wird Spieler D, der mit dem Innenbandriss, wieder fit? Das alles scheint gerade niemanden zu interessieren. Denn vor allem geht es darum, dass die jeweiligen Spiele überhaupt stattfinden; darum, »die Saison irgendwie zu Ende zu würgen«, wie es ein Sportdirektor im Vertrauen formulierte. Selbst wenn auf der Bank nur drei Ersatzspieler sitzen, die trotz Corona spielen dürfen - sie müssen stattfinden.

Einen sportlichen Wert können die ab Mai ausgetragenen Partien dann vielleicht sowieso nur bedingt haben. Schließlich hat es mit einem halbwegs fairen Wettbewerb nichts mehr zu tun, wenn die eine Mannschaft zehn Spieler in Quarantäne hat und die andere zwei.

Es geht jetzt erst einmal nur um die Fernsehgelder: darum, dass die letzte Tranche von Sky & Co. noch ausgezahlt wird. Ansonsten könnten mehr als ein Dutzend Profiklubs in die Insolvenz rutschen. Ab Sommer, auch das scheint allen klar zu sein, brechen sowieso neue Zeiten an. Die Spielergehälter (und damit die Beraterprovisionen) werden dann um gut 20 Prozent sinken. Mindestens. Allein schon deshalb, weil die Pandemie, wie der Name schon sagt, den ganzen Erdball trifft. Und wenn die Vereine deshalb überall sparen müssen, wird der Überbietungswettbewerb bei den Gehältern abgemildert. Doch auch künftig werden die Umsatzerlöse fast 1:1 in die Lizenzspielerkader fließen. Sie werden nur insgesamt sinken. Und es gibt selbst in den Chefetagen nicht viele, die das für einen Schaden halten.

Schade nur, dass an einigen Orten schon wieder die altbekannten Egoismen greifen. Seien es Zweit- und Drittligisten, die über so genannte »Planinsolvenzen« als billiges Mittel nachdenken, sich mit einem Federstrich von einem großen Teil ihrer Verbindlichkeiten zu verabschieden. Seien es Klubs aus dem oberen Erstligadrittel, die für ihre Geschäftsstellenmitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragen.

Ein Verein, der sich bewusst weigert, genau das bei seinen Spielern zu tun, ist der Drittligist Unterhaching. Und das mit der Begründung, dass die Gesellschaft nicht einspringen müsse, wenn ein Profiverein Probleme bekommt. Das ist eine umso ehrenwertere Einstellung, wenn man weiß, dass in Haching der ganze Profikader so viel kostet wie auf Schalke der achte Ersatzspieler von links.

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