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Wo stecken die Feminist*innen in der Corona-Krise?
Antwort: Sie sind mit Care-Arbeit beschäftigt - und das könnte Frauen auch nach der Krise zurückwerfen
Wir erleben äußerst ungewöhnliche Zeiten. Während Britney Spears zum Klassenkampf aufruft, haben vermutlich niemals zuvor so viele Männer so viel Schlaues über die Bedeutung von Care-Arbeit zu sagen, über die viel zu geringe Bezahlung der – geschlechtslosen? – Menschen in den »systemrelevanten« Berufen und sogar über die steigende Partnerschaftsgewalt gegen Frauen durch die Ausgangsbeschränkungen. Genau dafür wurden Feminist*innen zwar lange Zeit in die Gedöns-Ecke gestellt (vielleicht auch von einigen jener Männer), aber Schwamm drüber. Wer will in solchen Krisensituationen schon nachtragend sein? Also: Bravo! Vorwärts Männer, rückwärts nimmer. Oder so ähnlich.
Seltsam ist aber, wie alleine diese Schreiberlinge nun sind: Wenn Feminist*innen das alles doch schon lange gesagt haben, warum schweigen so viele von ihnen dann ausgerechnet jetzt? Wo sind die Frauen, die jetzt massenhaft aufbegehren müssten? Ach ja, richtig: Die sind ja rund um die Uhr damit beschäftigt, in den ebenso systemrelevanten wie frauendominierten Berufen bis zum Umfallen die Welt zu retten, oder sich um Angehörige in der Risikogruppe sowie Kindern zu kümmern, die wegen der KiTa- und Schulschließungen nun wieder im trauten Heim betreut oder sogar beschult werden. Natürlich für umme, ist ja klar.
Deshalb bleibt dann doch vielleicht, ganz eventuell, so ein klitzekleiner bitterer Beigeschmack. Oder sagen wir so, gerade für Mütter von kleinen Kindern ist es gerade kaum zu ertragen, wenn sich Männer aus der Linken (man sagt, einige von ihnen seien Väter), die ins Home Office versetzt wurden oder deren Politiktermine jetzt größtenteils ausfallen, darüber austauschen, wofür sie endlich wieder mehr Zeit haben. Bücher lesen, etwa, oder Texte und Facebook-Posts schreiben über die Bedeutung von Care-Arbeit.
Und das in unserer, doch so progressiven linken Blase. Wie sieht es da erst woanders aus? Trotz der großen Aufmerksamkeit für feministische Themen und insbesondere den bezahlten Teil der Sorgearbeit droht ein Backlash. Durch die Corona-Krise kann es mit der Gleichberechtigung wieder zurück in längst vergangene Zeiten gehen.
Weil Schulen und die meisten KiTas geschlossen sind, ist die alte Frage zurückgekehrt: Wer kümmert sich und nimmt dafür berufliche wie finanzielle Einbußen in Kauf? Die meisten Paare treffen diese Entscheidung notgedrungen über die Höhe des Einkommens und das ist in heterosexuellen Paarbeziehungen meistens höher beim Mann. Wenn Frauen nun aber stärker diese Lücke füllen, dann ist das nicht nur ein Ausnahmezustand, der gemeinsam mit den Ausgangssperren einfach wieder aufgehoben werden kann. Das hat langfristige Folgen.
Auch nach der Ebola-Epidemie in Westafrika vor wenigen Jahren erholten sich Männer finanziell schneller als Frauen. Wie viele Frauen werden beruflich auf der Stelle treten, weil sie jetzt nicht zu hundert Prozent im Homeoffice erreichbar sind? Wie viele Kinder werden stärkere Betreuung und mehr Aufmerksamkeit brauchen, weil sie jetzt den Anschluss verlieren, und wer wird sich dafür Zeit nehmen müssen? Wie hoch wird die Zahl der finanziell abhängigen und dadurch im schlimmsten Fall auch Gewalt stärker ausgelieferten Hausfrauen nach der Corona-Pandemie wieder sein?
Diese Ungerechtigkeiten bleiben derzeit weiterhin unsichtbar hinter dem lautstarken Einsatz für die öffentliche Infrastruktur – so wichtig dieser auch ist. Wie ernst er gemeint ist, wird sich allerdings auch noch zeigen müssen. Werden die Wortführer von heute sie und ihre Heldinnen auch dann noch verteidigen, wenn die aufkommende Wirtschaftskrise einschlägt?
Während jetzt alle über das Gesundheitswesen reden, kann die Stimmung schnell kippen, wenn es darum geht, die großen Industrien zu retten. Es wäre nicht das erste Mal. In der letzten Wirtschaftskrise wurden Umverteilungen durch Abwrackprämie und Kurzarbeitergeld durch Kürzungen in der sozialen Infrastruktur bezahlt. Männliche Arbeitsplätze wurden zu Lasten von Frauen (als Beschäftigte wie als Nutznießerinnen) gesichert.
Neben den ganz großen Fragen kann die eigene Ernsthaftigkeit auch schon im Kleinen bewiesen werden. Jeder, der Zeit hatte bis hierher zu lesen, kann sich ja mal bei den Frauen in seinem Umkreis nach Möglichkeiten für einen besseren Ausgleich der Belastungen erkundigen. Mit freundlichen Grüßen von Britney Spears.
Kerstin Wolter arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der LINKE-Ko-Vorsitzenden Katja Kipping und hat das Bündnis für den »Frauen*kampftag« am 8. März mitgegründet. Alex Wischnewski engagiert sich im Netzwerk »Care Revolution«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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