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Jetzt liegt es an Joe Biden

Ob nicht ein Großteil, sondern fast die gesamte Sanders-Basis am Ende für Joe Biden stimmen wird, wird auch durch Zugeständnisse von Joe Biden entschieden werden

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Manchmal denkt man, 2020 ist wie 2016. Doch es gibt Anzeichen dafür, dass einige Dinge nicht so sind wie vor vier Jahren, dass die US-Demokraten gelernt haben, ein bisschen zumindest. Zwar schickt man nun mit Joe Biden wieder einen wenig inspirierende vermeintlich »sichere Wahl« ins Rennen, nachdem ähnliche Kandidaten mehrfach gescheitert sind (Al Gore, John Kerry, Hillary Clinton). Doch anders als 2016 gab es keine offene Vorfestlegung auf einen Kandidaten.

Man leistete sich eine für viele Wähler geradezu verwirrend offene und lange Vorwahl (trotz entschiedener Establishment-Intervention vorm Super Tuesday). Anders als 2016 unterstützt der Linke Bernie Sanders den Vorwahlanführer dieses Mal ganze drei Monate vorher offiziell. Damit gibt er Joe Biden möglicherweise entscheidende Monate. Biden und Sanders mögen einander, Biden strahlt nicht wie Clinton pure Verachtung aus. Anders als 2008 war der Vorwahlkampf geradezu zahm, richtig böse Attacken gegeneinander gab es unter den Kandidaten kaum - Hillary Clinton und Barrack Obama hatten sich damals gegenseitig viel härter beharkt.

Sanders hat die Partei mit dem offiziellen »Endorsement« von Joe Biden geeint, offen ist nun, ob Biden das Gleiche tut - mit nicht nur rhetorischen Zugeständnissen an die Parteilinke. Sanders hat in der Vorwahl immer klargemacht, dass er den eventuellen Sieger unterstützen würde, egal wer das ist. Er verfolgt also eine Volksfront-Strategie - die temporäre Zusammenarbeit von Konservativen, Liberalen und Linken in der Partei. Ob nur 70 bis 85 Prozent seiner Unterstützer oder 95 Prozent ihrem »Bernie« folgen werden und mit zusammengebissenen Zähnen im November für Biden stimmen, hängt auch davon ab, ob Biden der Parteilinken weit genug entgegenkommt. Das könnte in den versprochenen sechs Arbeitsgruppen und im Programm sowie bei seinen Personalentscheidungen geschehen. Biden war immer Opportunist, oft im schlechten, aber vielleicht jetzt auch im mal guten Sinne.

Vielleicht kann Biden ohne die Unterstützung der Parteilinken und der jungen Sanders-Wähler in Zeiten harter politischer Polarisierung und dementsprechend knappen Wahlausgängen ohne die Parteilinke beziehungsweise ohne signifikante Zugeständnisse an diese gewinnen – es wäre allerdings riskant das zu versuchen.

Die Hardcore-Sanders-Basis sollte es Biden nicht zu einfach machen - und tut das auch nicht. Schon jetzt formiert sich im Netz eine »Never-Biden«-Bewegung. Das sind rund 15 Prozent der Sanders-Unterstützer. Wenn sie hart bleiben, dann könnten Teile von Sanders Programm von Biden berücksichtig werden. Das Dilemma der Parteilinken war nämlich bislang, dass sie erpressbar waren. Ihre Macht ist sehr begrenzt, da sie selten eine glaubwürdige Drohung aufbauen konnten, nicht für den Demokraten-Kandidaten zu stimmen. Nur das bedeutet echte Macht.

Die Parteilinke hat sich im Dilemma zwischen »ein ganz klein bisschen mehr Sozialstaat aufbauen« und »vielleicht mehr, als nur ein bisschen Sozialstaat verlieren« bei einer Demokratenwahlniederlage bisher stets für das Erste, für das kleinere Übel, entschieden. Deswegen konnte und kann das Parteiestablishment annehmen, dass der progressive Flügel »keine Wahl« hat, man also keine Zugeständnisse machen muss – die Parteigranden handeln oft entsprechend. Ob sich das nun zumindest teilweise ändert, werden wir in den nächsten Wochen und Monaten sehen.

Es könnte sein, dass Biden im November scheitert – er ist immer noch wenig inspirierend, selbst seine Anhänger zeigen wenig Leidenschaft für ihn. Dann ist zwar nicht ausgeschlossen das die Parteirechte wie nach 2016 trotzdem versucht die Schuld dafür den Sanders-Anhängern (oder russischer Einflussnahme) zuzuschanzen , doch es wird weniger glaubwürdig sein.

Wenn Biden gewinnt und davor keine Zugeständnisse macht oder hinter diese wieder zurückfällt, kann die in den letzten Jahren erstarkte Parteilinke den neuen Präsidenten mit Protestpolitik und durch linke Parlamentarier unter Druck setzen und eine Wiederholung von dem verhindern, was 2008 geschah. Damals kam es auch auf der Linken zu siegestrunkener Unaufmerksamkeit und relativer Kritiklosigkeit gegenüber dem relativ linkspopulistisch Wahlkampf machenden aber dann zentristisch regierenden Barack Obama.

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