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Im Netz wirft man der Leopoldina einen Mangel an Diversität und geschlechtersensiblen Perspektiven vor

  • Birthe Berghöfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Montag veröffentlichte die Corona-Arbeitsgruppe der Leopoldina ihre mittlerweile dritte Stellungnahme. In der geht es um soziale und wirtschaftliche Folgen der Pandemie und darüber, wie eine schrittweise Lockerung aktueller Maßnahmen aussehen könnte. Es soll vor allem im Bildungsbereich zügig zur Normalität zurückgekehrt werden. Die Empfehlung ist, Grundschulen wieder zu öffnen, wobei weiterhin strenge Abstands- und Hygieneregeln gelten und Klassen aus höchstens 15 Kindern bestehen sollen.

Während Angela Merkel erklärte, die Stellungnahme sei sehr wichtig beim Weg aus dem aktuellen Shutdown, hagelt es im Netz Kritik. Die strengen Voraussetzungen, um Schulen wieder zu öffnen, seien realitätsfern. Die Gruppengröße von 15 Schüler*innen sei praktisch nicht umzusetzen, kritisieren Lehrer*innen in Sozialen Netzwerken. Und auch der erste Lehrerverband äußerte Zweifel an der Umsetzung. Allein die Raumgröße gebe bei 15 Schüler*innen den nötigen Sicherheitsabstand gar nicht her, so die Landesvorsitzende der Vertretung von Gymnasiallehrkräften, Cornelia Schwartz. Auch die bereits seit Jahren kritisierten Hygienemängel an deutschen Schulen könnten das Einhalten von Hygienevorgaben erschweren und fraglich sei, wie diszipliniert Grundschulkinder Distanzregeln und Schutzmaßnahmen einhalten können.

Noch mehr Kritik kommt von feministischer Seite. Auffällig ist nämlich die Zusammensetzung der Corona-AG der Leopoldina – 24 Männer und zwei Frauen. Kein Wunder also, dass der Stellungnahme ein Mangel an geschlechtersensiblen Perspektiven diagnostiziert wird. »Wenig überraschend kommen geschlechterrelevante Auswirkungen der Coronakrise im Text kaum vor, bei Empfehlungen und Konsequenzen ist es ähnlich«, twitterte die linke Bundestagsabgeordnete Doris Achelwilm. Dabei seien es vor allem Frauen, die sich als Erzieherinnen und Lehrerinnen bei Schulöffnungen einem erhöhten Gesundheitsrisiko aussetzen. Es seien Frauen, die noch immer für den Großteil der Sorgearbeit verantwortlich gemacht werden und sich um kranke Kinder kümmern müssten, so Achelwilm. Und es seien zu großen Teilen Frauen, die im Gesundheitswesen arbeiten und einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen als erste zu spüren bekämen.

Im Kontext dieser Vorwürfe weisen Wissenschaftler*innen aus den Gender Studies auf den Zusammenhang von Pluralität und Ideenvielfalt hin. »Mehr Pluralität bedeutet ein Mehr an unterschiedlichen Erfahrungen. Das wiederum bedeutet ein Zugewinn an unterschiedlichen Sichtweisen und Ideen«, schreibt Sabine Hark, Professorin am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin. So überrascht es kaum, dass in der Stellungnahme mit dem Titel »Coronavirus-Pandemie – Die Krise nachhaltig überwinden« mit keinem Wort die Aufwertung von Gesundheitsberufen thematisiert wird. Stattdessen folge das Papier dem Duktus, die Wirtschaft schnellstmöglich wieder zum Laufen zu bringen, so die vielfache Kritik auf Twitter. Dort wird auch auf ein Diskussionspapier der Leopoldina von 2016 verwiesen. Damals empfahl die Akademie die mehr als 1600 Krankenhäuser in Deutschland auf bundesweit 330 große Krankenhäuser zu reduzieren.

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