Corona-Rassismus nimmt weiter zu

Ein Medienkritik-Projekt sammelt und dokumentiert nun Beispiele problematischer Berichterstattung

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein brauner, klumpiger Fleck Erde verdeckt das Gesicht eines Mannes. Auf der Fotografie auf der Gedenktafel für chinesische NS-Opfer in Hamburg ist sein Anlitz nicht mehr zu erkennen. Es ist Montag, der 20. April – Hitlers Geburtstag. Der Angriff auf die Gedenktafel ist nur einer unter vielen. Ein Beispiel für den aufgeflammten anti-asiatischen Rassismus in Deutschland und in der Welt. Dass dieser auch immer mehr im Mainstream ankommt, daran tragen auch die Medien eine Schuld, sagen nun verschiedene Organisationen und Vereine.

Denn obwohl zahlreiche Menschen bereits im Februar unter dem Hashtag #ichbinkeinVirus von Anfeindungen und Diskriminierungserfahrungen berichtet hatten, die sie im Zusammenhang mit COVID-19 auf offener Straße erlebten, (re)produzieren viele Medien weiterhin anti-asiatische Bilder und Stereotype.

So titelte etwa die Hamburger Morgenpost am 20. April: »Hamburger nachlässig – Wenn es freiwillig nicht klappt, brauchen wir eine Maskenpflicht.« Darunter ist das Bild von zwei asiatisch gelesenen Personen mit Mundschutz zu sehen.

»Es hört einfach nicht auf: Sagt mal @mopo, wer arbeitet bei euch in der Bildredaktion? Wieso wird für eine Diskussion über Maskenpflicht in Hamburg ein Bild mit asiatisch gelesenen Menschen genommen? #ichbinkeinVirus«, schrieb »Korientation e. V.« dazu auf Twitter.

Und weil es eben kein Ende nimmt, sammelt der Verein auf seiner Webseite nun seit Dienstag Beispiele diskriminierender Medienberichte zur Corona-Pandemie: Meist sind es stereotypisierende und/oder klischeebeladene Text-Bild-Verknüpfungen, die den Corona-Rassismus weiter befeuern.

»Mediale Berichterstattung ist nicht unschuldig«, erklärt »Korientation« dazu auf seiner Webseite. Der Verein appelliere deshalb »an die Verantwortung aller Medienschaffenden, diskriminierungssensibel, differenziert und selbstreflexiv zu arbeiten und Menschengruppen nicht zu stigmatisieren.« Denn: »Bilder wecken Assoziationen, Sprache schafft Wirklichkeit und Worte führen zu Taten.«

Konkret heißt das: »Das Framing, also die mediale Darstellung, asiatisch aussehender Menschen hat Einfluss darauf, wie sie wahrgenommen und wie mit ihnen umgegangen wird«, erklärt Sina Schindler von »Korientation« im Gespräch mit dem »nd«. Mit der negativen Medienberichterstattung hätte sich in den vergangenen Wochen auch die Zahl der physischen Übergriffe auf asiatisch gelesene Menschen erhöht, sagt Schindler.

Und tatsächlich: Auch auf Twitter berichten weiterhin zahlreiche Personen davon, wie sie auf der Straße beschimpft, im öffentlichen Nahverkehr gemieden oder sogar mit Desinfektionsmitteln besprüht werden.

Anti-asiatischer Rassismus ist kein neues Problem

Dabei ist anti-asiatischer Rassismus kein neues Problem, betont Schindler. »Wir kennen das beispielsweise aus der Fremd-Darstellung asiatischer Frauen als besonders ‚exotisch‘, die zu einer Fetischisierung und mehr übergriffigem Verhalten führt«, erklärt Schindler. »Anti-asiatischer Rassismus ist systematisch und tritt im Zuge der Corona-Krise jetzt nur noch gehäufter auf.«

Wie gehäuft, das will die neue Plattform nun dokumentieren. Inspiriert ist das Projekt von dem Nachrichtenportal @Belltower_News, das seit Anfang April Fälle von anti-asiatischem Rassismus in Zusammenhang mit Corona dokumentiert.

»Zu den publik gemachten Diskriminierungsformen gehören rassistische Kommentare und verbale Gewalt, rassistisch motivierte Distanzierung, das Husten oder Spucken auf Personen, Online-Beschimpfungen, Diskriminierung in öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu physischen Attacken«, heißt es auf der Seite von Belltower News.

Quellen der Dokumentation seien Presseberichte, der Twitter-Hashtag #ichbinkeinVirus und Berichte, die an die Redaktion gesendet wurden. Ausgenommen seien dahingegen rassistische Medienberichte.

Diese finden sich nun wiederum auf der Seite von »Korientation«. Sie reichen von BILD-Artikeln (»Darf ich noch Glückskekse essen?«), über regionale und überregionale Medien wie den Spiegel (»Coronavirus – made in China«), bis hin zur Tagesschau.

Die hatte Ende März einen Text mit dem Titel »Debatte um Gewerbemieten – Adidas verteidigt sich«, mit dem Foto einer asiatisch aussehenden Person mit Mundschutz bebildert. Immerhin: nach mehreren Beschwerden an die Tagesschau, den NDR Rundfunkrat und den Presserat, wurde das Bild schließlich ausgetauscht.

Mit Böhmermann ist der anti-asiatische Rassismus im Mainstream angekommen

Dass der Corona-Rassismus nun aber auch im Mainstream angekommen ist, zeige auch der anti-asiatische Slur von Jan Böhmermann, erklärt Thea Suh, die selbst koreanische Wurzeln hat, in ihrem Podcast DonnaSori.

Gemeint ist eine Aussage Böhmermanns vor einer Woche in seinem Podcast »Fest & Flauschig«, den er zusammen mit Oli Schulz moderiert. Dort hatte er ein Rezept beschrieben, mit den Worten : »…durchgesuppt wie beim echten Chinesen, wo man nicht weiß, ist das jetzt ein gebratener Mensch, Hund, Katze, Fledermaus – es kann eigentlich alles sein.«

Die Aussage des Satirikers sei ein Schock für sie gewesen, erklärt Suh. »Das hat mich wirklich verletzt.« Böhmermann, der Millionen von Zuhörer*innen hat, habe Corona-Rassismus damit salonfähig gemacht, sagt sie in ihrem Podcast. Und Olli Schulz schwieg. Inzwischen hat sich Böhmermann offiziell entschuldigt und seinen Fehler eingesehen.

Für die Zukunft hofft Suh, dass mehr Menschen etwas gegen anti-asiatischen Rassismus sagen. Denn Schweigen sei auch eine Form der Zustimmung.

An alle Betroffenen wendet sich die Seite »Ich bin kein Virus – Dein Netzwerk gegen Rassismus« (www.ichbinkeinvirus.org). Sie soll schon bald online gehen und eine Plattform bieten, auf der Betroffene »Erfahrungen teilen, sich gegenseitig empowern und andere Akteur*innen finden können«.

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