Widerspruch Homeoffice mit Kind

Soziologin Kathrin Mahler Walther über die Notwendigkeit eines Corona-Elterngeldes

Von unterschiedlichen Parteien und Instituten wird mehr Unterstützung für Eltern während der Coronazeit gefordert. Sie haben einen Appell zu dem Thema mitinitiiert, wie kam dieser zustande?

Als zu Beginn der Coronakrise klar wurde, dass viele Eltern im Homeoffice arbeiten dürfen, aber zugleich Vollzeit ihre Kinder betreuen müssen, waren wir sehr alarmiert. Viele Eltern freuen sich sehr, mehr Zeit mit den Kindern zu haben. Aber es funktioniert nicht, das mit der Berufstätigkeit zu kombinieren. Es ist unmöglich, kleine Kinder zu betreuen und zu arbeiten. Dieser Spagat ist weder für Eltern noch für Kinder eine Lösung. Als sich jetzt durch die Empfehlungen der Leopoldina herausstellte, dass sich das Ganze noch weiter hinziehen wird, war klar, da muss eine Entlastung her. Wenn jetzt Eltern ihren Job kündigen müssen, um die Betreuung ihrer Kinder sicherzustellen, ist das ein großes Problem.

Kathrin Mahler Walther

Kathrin Mahler Walther ist Geschäftsführerin der EAF Berlin, eines unabhängigen Forschungs- und Beratungsinstitutes, das Politik und Wirtschaft zum Thema Vielfalt und Vereinbarkeit berät. Sie ist Mitinitiatorin des Appells »Corona-Elterngeld einführen sowie Kitas und Schulen schrittweise und verantwortungsvoll öffnen«. Mit ihr sprach Lisa Ecke.

Foto: EAF Berlin

Was fordern Sie?

Es bedarf dringend einer Regelung, die Eltern sowohl zeitlich wie auch finanziell entlastet. Wir wollen die Einführung eines Corona-Elterngeldes. Also einen Kündigungsschutz und den rechtlichen Anspruch, die Arbeit zu reduzieren oder zu unterbrechen und dafür einen finanziellen Ausgleich zu erhalten. Das Kurzarbeitergeld greift oft nicht, denn auch wenn im Unternehmen genug Arbeit vorhanden ist, sollen Individuen sagen können: Ich kann diese nicht leisten, wenn ich gleichzeitig meine Kinder betreuen muss. Außerdem fordern wir, die Betreuungseinrichtungen sukzessiv zu öffnen. Es gibt eine Studie aus den Niederlanden, die zu dem Ergebnis kommt, dass Kinder das Virus nicht weitergeben. Es muss untersucht werden, ob das valide ist. Überall dort, wo Kitas nicht zur Verfügung stehen, müssen darüber hinaus die Kitabeiträge ausgesetzt werden. Das ist in vielen Bundesländern bereits so, aber nicht überall. Es ist ein Hohn für die Eltern, die weiter die Gebühren zahlen und gleichzeitig Job und Kinderbetreuung leisten müssen.

Wenn die Kindergärten nach und nach geöffnet werden - wer entscheidet dann darüber, wer zuerst wieder einen Betreuungsplatz erhält?

Das ist ja immer schwierig, da müssen politische Leitlinien her. Mit dieser Entscheidung dürfen Einrichtungen nicht allein gelassen werden; das wäre eine vollkommene Überforderung.

Gibt es negative Auswirkungen auf die Kinder, die zurzeit mit den Eltern zuhause sind?

Ich bin keine Pädagogin, aber natürlich ist es für Kinder schwer. Für eine bestimmte Zeit ist das sicher machbar. Aber auf Dauer fehlen Kindern die sozialen Kontakte. Zusammen zu spielen, sich zu entwickeln. Wenn der Kontakt mit Gleichaltrigen in der entscheidenden Entwicklungsphase wegfällt, ist das auf Dauer ein Pro-blem. Zieht sich das über eine längere Zeit hin, müssen dafür Lösungen gefunden werden. Dazu kommt das Thema Sprachentwicklung und -erwerb. In einer vielfältigen Gesellschaft, wo es ganz unterschiedliche Bildungshintergründe der Eltern gibt und einen unterschiedlichen Stand der Sprache, leisten die frühkindlichen Bildungseinrichtungen einen sehr wichtigen Beitrag, der jetzt wegfällt. Für Kitas wird es außerdem eine enorme Herausforderung, wenn Kinder nach vielen Monaten wiederkommen und eine neue Eingewöhnung in der Betreuungseinrichtung durchlaufen müssen.

Sehen Sie bei einem Corona-Elterngeld die Gefahr, dass viele Väter weiterarbeiten, während die Mütter zuhause bleiben und die Kinderbetreuung übernehmen?

Alle Studien zeigen, dass Mütter nach wie vor mehr Zeit in die Kinderbetreuung stecken. Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin weist auch darauf hin, dass die Mütter jetzt während Corona häufiger die Betreuung auffangen als die Väter. Es ist so, dass man in Krisen oft in traditionelle Muster zurückfällt. Weil man die gelernt hat und die intuitiv erst einmal da sind. Gleichzeitig wissen wir aus zahlreichen Studien, dass das nicht der Weg ist, den die meisten Eltern sich wünschen. Wir halten es deshalb für wichtig, in einer Regelung wie dem Corona-Elterngeld auch Anreize zu schaffen, damit Eltern sich die Betreuung aufteilen.

Wie viele Menschen unterstützen den Appell?

Wir haben den Appell am 23. April gestartet, und es sind bereits über 2000 Unterzeichner*innen. Unter den 40 Erstunterzeichner*innen sind viele Verbände aus der Zivilgesellschaft. Insgesamt ist es ein breites Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und Eltern. Es gibt viele positive Reaktionen von Menschen, die dankbar sind, dass es endlich eine Initiative für die Entlastung von Eltern während der Coronakrise gibt.

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