Leipziger Linke kündigen Sozialproteste an

In Leipzig wird es am 1. Mai gleich mehrere linke Demonstrationen geben. Im Fokus: das Soziale.

  • Max Zeising, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.
Der 1. Mai zum Nachhören im ndPodcast. Von Tim Zülch

In Leipzig wird es am 1. Mai gleich mehrere linke Demonstrationen geben. Unter dem Motto »Danke heißt: Mehr Lohn, mehr Schutz, mehr Mitbestimmung!« ruft ein neu gegründetes Mai-Bündnis, dem zwölf einzelne Gruppen angehören, zur Kundgebung auf den Augustusplatz. Zugleich plant die Initiative #nichtaufunseremruecken zwei Kundgebungen in der Südvorstadt und am Connewitzer Kreuz.

Wie das Leipziger Mai-Bündnis in einer Pressemitteilung bekanntgab, wollen sich die linken Demonstranten für die Sicherung des Einkommens für Alle und ein gerechteres Gesundheitssystem einsetzen. Außerdem machen sie sich für Geflüchtete, Obdachlose und Betroffene häuslicher Gewalt stark – gerade in Zeiten von Corona. »Am härtesten trifft es diejenigen, die schon zuvor in prekären Verhältnissen lebten und dem Virus schutzlos ausgeliefert sind«, heißt es in der Mitteilung. Die Initiative #nichtaufunseremruecken setzt sich neben Änderungen im Sozial- und Gesundheitssystem für »die Vergesellschaftung aller Produktionsmittel und Überführung in demokratische Verwaltung durch die Lohnabhängigen« ein.

Das Ordnungsamt Leipzig genehmigte die Versammlungen unter Auflagen. So sind pro Demonstration nur je 25 Teilnehmer erlaubt, wenngleich das Mai-Bündnis zwei verschiedene Gruppen mit insgesamt 50 Teilnehmern am gleichen Ort genehmigt bekam. Zudem müssen alle Teilnehmer personenbezogene Daten abgeben. Diese Auflage hatte zuletzt für Kritik gesorgt, »Leipzig nimmt Platz« hatte eine Kundgebung kurzfristig abgesagt und Klage eingereicht.

Insgesamt waren sechs Demo-Anmeldungen beim Ordnungsamt eingegangen. Laut sächsischer Corona-Rechtsverordnung sind Versammlungen jedoch nach wie vor nur in Ausnahmefällen gestattet – anders als in Thüringen, wo die rot-rot-grüne Landesregierung unter Ministerpräsident Bodo Ramelow Demonstrationen mit höchstens 50 Teilnehmern bereits seit dem 23. April wieder generell erlaubt. Das sächsische Innenministerium erklärte, die Polizei gehe von »einer Vielzahl von Versammlungen im Freistaat Sachsen« aus. Minister Roland Wöller (CDU) appellierte an die Menschen, sich an die Auflagen zu halten: »Das betrifft die Zahl der Versammlungsteilnehmer ebenso, wie die Mindestabstände und die Dauer einer Kundgebung. Nur unter diesen Umständen sind Infektionsschutz und die Freiheit, sich zu versammeln, zu vereinbaren.«

Das eigentlich Bemerkenswerte ist aber die thematische Fokussierung der linken Versammlungen: das Soziale. Denn in den letzten Jahren war der 1. Mai in Ostdeutschland in der öffentlichen Wahrnehmung vorrangig durch Neonazi-Aufmärsche und entsprechende Blockadeversuche geprägt. Nun entschied sich zumindest die außerparlamentarische Linke in Leipzig, eigene Themen zu setzen. Wie es bei den Rechten laufen wird, ist derweil noch nicht abschließend geklärt, in Erfurt hat die Kleinstpartei »Der III. Weg« ihren geplanten Aufzug bereits abgesagt.

Für die Leipziger Linken heißt es deshalb in diesem Jahr: »Aufbruch« statt Blockade. So hatten etwa die Gruppe »Prisma«, Teil der Interventionistischen Linken, und das Aktionsnetzwerk »Leipzig nimmt Platz« in den letzten Jahren regelmäßig zum Protest gegen Neonazis am 1. Mai aufgerufen. Diesmal beteiligen sie sich neben zehn anderen Gruppen, darunter »Ende Gelände«, »Seebrücke« und »Aufbruch Ost«, am großen Leipziger Mai-Bündnis, das die Rechten rechts liegen lässt und das Soziale in den Mittelpunkt stellt.

»In den vergangenen Jahren am 1. Mai wurden vor allem in Ostdeutschland notwendige Abwehrkämpfe geführt. Die aktuelle Krise ist für uns jedoch Anlass, um für einen fairen Lastenausgleich, Umverteilung und Vergesellschaftung auf die Straße zu gehen und als gesellschaftliche Linke in die Offensive zu kommen«, sagt Jette Helberg, Presseverantwortliche des neuen Demo-Bündnisses, auf »nd«-Anfrage. »Wir sprechen hier unter anderem von Verkäufer:innen in den Geschäften, von Beschäftigen in der Lebensmittelindustrie und im Gesundheitswesen, von Fahrer:innen im notwendigen Personen- und Güterverkehr, vom Versandhandel, der Müllabfuhr, den Wasserwerken, dem Reinigungsgewerbe und den vielen Anderen, deren Arbeiten nicht auf der großen Bühne der Gesellschaft stattfinden, diese aber tragen und überhaupt erst ermöglichen.«

Zwar habe es von linksradikaler Seite schon in den letzten Jahren immer auch eine »kritische Begleitung« der Gewerkschaftsdemos gegeben, fügt Juliane Nagel für die Initiative #nichtaufunseremruecken hinzu, betont jedoch zugleich: »Der Fokus verschiebt sich aufgrund der Unmöglichkeit von Protesten gegen Neonazis. Und aufgrund der harten sozialen Situation. Und das finde ich auch gut. Das ist auch Aufgabe der Linken.«

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