»Respektiert, aber nie geliebt«

Ein Buch über Thomas Tuchel porträtiert einen hervorragenden Trainer, der sich selbst im Weg steht.

Nein, eine Lobhudelei ist dieses Buch nicht geworden. Das unterscheidet die von Daniel Meuren und Tobias Schächter verfasste Biografie »Thomas Tuchel« wohltuend von vielen Konkurrenzprodukten, die dem überhöhten Porträtierten gefallen, den Leser aber oft ratlos zurücklassen. Denn über den realen Menschen mit seinen Stärken und Schwächen haben sie wenig erfahren, wenn sie das Buch ausgelesen haben.

In dieser Biografie indes wird Fußballtrainer Thomas Tuchel, der nach dem Corona-Abbruch der französischen Liga am Donnerstag nun seinen zweiten Meistertitel mit Paris St. Germain schaffte, von den beiden Chronisten in all seinen Widersprüchlichkeiten porträtiert. Die Analogie zu »Dr. Jekyll und Mr. Hyde« wird einmal erwähnt - und oft begründet: Da wären die herausragenden fachlichen Fähigkeiten des Mannes, den auch Schächter und Meuren für einen der besten Trainer der Branche halten. Als Kronzeugen dienen hier neben langjährigen Wegbegleitern Tuchels wie dem ehemaligen Mainzer Manager Christian Heidel und Leipzig-Trainer Julian Nagelsmann auch zahlreiche Spieler, die Tuchels Fachwissen loben, das abwechslungsreiche Training, die perfekte Gegnervorbereitung. »Er macht Spieler besser, er treibt sie zu Höchstleistungen«, sagt Nagelsmann, der für Tuchel im Augsburger Nachwuchs die Spiele der gegnerischen Mannschaften scoutete.

Trotz vieler kritischer Ausführungen über die Launen und Ausfälle des 46-Jährigen wird der heutige PSG-Trainer aber nicht als reiner Fachidiot beschrieben. Sondern als intelligenter und humorbegabter Individualist, der sich allerdings im Laufe der letzten Jahre zunehmend verhärtet zu haben scheint: So streng der asketische Ernährungsfetischist Tuchel zu sich selbst ist, so hart ist er auch zu den Spielern.

Als »ungeduldig«, »bisweilen cholerisch, unnachgiebig und nachtragend«, beschreiben ihn die Autoren und zitieren einen ehemaligen Spieler: »So 20 Prozent der Zeit war er immer schon der Psychopath, der es übertreibt, der überehrgeizig ist. Dann wurde er persönlich, vergriff sich im Ton, wurde beleidigend. Von Jahr zu Jahr näherte sich das Verhältnis immer mehr 50:50 an.« Tuchel habe viele Spieler »kaputt gemacht«.

Beim 1. FSV Mainz 05, über den die beiden Journalisten für die »FAZ« (Meuren) und diverse Tageszeitungen (Schächter) jahrelang berichteten, gebe es »neben zahlreichen Tuchel-Verehrern auch viele, die ein gespanntes Verhältnis zum einstigen Aushängeschild haben. In Dortmund ist er Persona non grata«, schreiben die Autoren.

Letzteres verwundert zunächst. Schließlich ist Tuchel nicht nur der erfolgreichste Trainer der Mainzer Vereinsgeschichte, sondern hat mit einem Punkteschnitt von 2,09 Zählern in Dortmund auch eine bessere Bilanz als der Volksheld Jürgen Klopp.

Warum Tuchel beim BVB dennoch in Ungnade fiel, erklärt der Dortmunder Filmemacher Jan-Henrik Gruszecki. Im Vergleich zu dessen Urteil fällt das Fazit der beiden Autoren über den Erfolgstrainer da fast schon freundlich aus: »Tuchel wird respektiert für seine Arbeit, aber geliebt wird er nie.«

Daniel Meuren, Tobias Schächter: Thomas Tuchel. Die Biografie. Verlag Die Werkstatt, 192 S., geb., 19,90 €.

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