Krude Wortmeldung

Christian Klemm über einen Tweet von »Welt«-Chef Poschardt zum 1. Mai

Dem Bürgertum geht, wie man so sagt, der Arsch auf Grundeis. Anders ist nicht zu erklären, mit welcher Vehemenz es inzwischen gegen Mietaktivisten in Berlin vorgeht. Den vorläufigen Höhepunkt dieses Feldzuges hat nun »Welt«-Chefredakteur Ulf Poschardt gesetzt. Als am 1. Mai ein Autokorso durch das Berliner Nobelviertel Grunewald zog, schrieb der Twitter-affine Poschardt im Kurznachrichtendienst: »der #grunewald war ein sehr jüdisches Viertel: das «enteignen first, bedenken second» gab es schon mal: zwischen 1933 und 1945.« User reagierten anschließend mit Empörung, teilweise auch mit Zustimmung auf die Gleichsetzung von rechts und links.

Unbestritten ist, dass die Nazis auch in Grunewald fürchterlich gewütet haben. Daran zu erinnern, war jedoch nicht Porschardts eigentliche Absicht. Ihm ging es bei seiner kruden Wortmeldung vielmehr darum, das Anliegend der Mietaktivisten zu diskreditieren. Und das ist klar formuliert: Schluss mit dem Mietenwahnsinn in der Hauptstadt! Je mehr die Kampagne von »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« fortschreitet, um so heftiger werden die Attacken der Gegenseite. Doch Porschardt geht es um mehr als um Berliner Gentrifizierungsgegner. Er zielt mit seiner Attacke auf die Linke insgesamt – und verharmlost damit gleichzeitig Verbrechen während des Nazifaschismus.

Der 1. Mai zum Nachhören im ndPodcast. Von Tim Zülch
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