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»Für uns gibt es hier gerade nichts zu feiern«

Migrantische Organisationen rufen am 8. Mai zu einem Tag des Zorns

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 3 Min.

Ihr organisiert am 8. Mai einen »Tag des Zorns«. Was hat es damit auf sich?
Nach Hanau hatten verschiedene migrantische Organisationen das Gefühl, etwas tun zu müssen. Wir wollten einen migrantischen Generalstreik organisieren. Durch Corona ist das nichts geworden, es steht ja eh alles still.

Nun ruft ihr zu verschiedenen dezentralen Aktionen auf. Warum am 8. Mai, dem Tag der Befreiung?
Am 8. Mai 1945 wurde Deutschland angeblich vom Faschismus befreit. Tatsächlich hat eine Entnazifizierung nie stattgefunden. Ehemalige Nazis waren in entscheidenden Positionen daran beteiligt, die Bundesrepublik wieder aufzubauen. Und heute sind rechte und faschistische Ideologien wieder auf dem Vormarsch. Rechter Terror ist für uns Alltag. Seit dem Anschlag in Hanau ist kein Tag vergangen, an dem es nicht brutale Angriffe auf Migranten gab. In den drei Tagen danach gab es in Döbeln einen Brandanschlag auf einen Shishabar, eine Moschee in Emmendingen wurde mit Hakenkreuzen beschmiert und in Stuttgart sind Schüsse auf eine zweite Shishabar gefallen. Es gibt keine Befreiung in den Zuständen, in denen wir uns befinden.

Im Interview
Aila Kutlu ist als Aktivistin in verschiedenen Kontexten aktiv, unter anderem in der Migrantifa Berlin. Gemeinsam mit anderen organisieren sie am 8. Mai einen Tag des Zorns. 

Ist dass auch eine Kritik an der Form des Gedenkens am Tag der Befreiung in Deutschland?
Zuerst einmal: Jeder und jede sollte so gedenken, wie er oder sie das will. Aber wir haben nicht das Gefühl, gerade feiern zu können. Für uns junge, migrantische Menschen geht es darum, einen Bezug zur Gegenwart herzustellen. Deshalb auch der »Tag des Zorns«: Für uns gibt es hier gerade nichts zu feiern. Seit Hanau schon gar nicht.

Rückt das Gedenken an Hanau in der Corona-Pandemie in den Hintergrund?
Ja klar, es gibt ja nur noch Corona, von morgens bis abends. Die ganzen Maßnahmen machen es auch schwierig, Protest so zu organisieren, wie wir es gewohnt sind. Dabei ist es gerade wichtiger denn je, dass wir uns vernetzen. Verschiedene Behörden haben davor gewarnt, dass Rechtsextreme wieder aktiver werden könnten. Gerade in Krisen und Ausnahmezuständen ist es wichtig, dass Thema Rassismus und rechte Gewalt auf dem Schirm zu behalten.

Was ich in meinem Umfeld wahrnehme: Viele Leute haben Angst davor, dass in einer solch chaotischen Situation die militante und bewaffnete Rechte versucht, ihre Umsturzpläne zu verwirklichen. Diese Menschen wollen gezielt Jagd auf uns machen. Die sind bewaffnet und gefährlich, haben Leichensäcke und Löschkalk schon vor der Krise gehortet. Je mehr Chaos es gibt, desto mehr trauen die sich.

Was muss passieren, um migrantische Menschen zu schützen?
Wir müssen daran arbeiten, kommunale Strukturen aufzubauen. Der Staat beweist jedes Mal aufs Neue, dass er uns nicht schützen wird. Wir müssen zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen.

Am 8. Mai versucht ihr, das Gedenken an Hanau mit dem Gedenken an den 8 Mai zusammenzubringen
Ja, wir haben verschiedene Aktionen geplant. Es soll keine Trauerfeier werden, sondern kämpferisch. Es ist Kreativität gefordert. Für uns ist es ein schmaler Grat: Wir wollen gemeinsam protestieren, dabei aber natürlich niemanden gefährden. Trotzdem wollen wir auf unser Recht auf Versammlungsfreiheit pochen und davon Gebrauch machen.

Am 8. Mai, ab 13 Uhr wird das Anarche-Protestboot über die Spree fahren und an verschiedenen Anlege-Orten mit Videos, Redebeiträgen und die Forderungen des »Tag des Zorns« verbreiten. Um 16:00 gibt es eine Kundgebung auf dem Berliner Herrmannplatz.

Zum Einbruch der Dunkelheit soll mit Kerzen an Fenstern allen Opfern rassistischer und antisemitischer Gewalt gedacht werden.

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