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Homosexualität bringt Klicks

Das queerfeministische Online-Magazin »My.Kali« wurde vor 13 Jahren in Amman geründet. Es versteht sich als Stimme für soziale Gerechtigkeit

  • Eva-Maria Tepest
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie haben »My.Kali« 2007 mitgegründet und waren auch die erste Person auf dem digitalen Cover. Was hat sich seitdem verändert?

Ich habe »My.Kali« als 17-Jähriger ins Leben gerufen, weil ich in der Schule gemobbt wurde, etwa weil ich vermeintlich zu feminin sei. Ich wollte etwas schaffen, was Menschen wie mich zeigt. Seitdem hat sich extrem viel getan, und das haben wir größtenteils den Personen zu verdanken, die ein Teil des Projektes wurden oder darauf reagiert haben.

Khalid Abdel-Hadi

Khalid Abdel-Hadi ist Chefredakteur und kreativer Leiter des queeren Online-Magazins »My.Kali« aus Jordanien. Die Webseite ist in dem Land gesperrt, obwohl Homosexualität seit dem Ende der britischen Kolonialzeit 1951 legal ist. Mit dem Journalisten sprach Eva-Maria Tepest.

Inwiefern?

Irgendwann haben wir gemerkt, dass unser Profil als schwule Publikation nicht ausreicht, um die von uns gewünschten Debatten anzustoßen. Heute sind wir kein LGBTI-Medium, sondern ein queerfeministisches und intersektionales.

Was waren für Sie die wichtigsten Artikel Ihres Online-Magazins?

Besonders berührt hat mich unser Aufmacher über den Transmann Rashed. Sehr wichtig ist mir auch unser Beitrag, der queere Aktivist*innen der Revolution in Ägypten zu Wort kommen lässt. Und riesige Wellen schlug der Essay über die queeren Dimensionen der ikonischen ägyptischen Sängerin Umm Kulthum.

Seit Mai 2016 ist das Magazin auch auf Arabisch verfügbar.

Wir wollten damit alle Menschen in der Region erreichen, die kein Englisch sprechen. Das wurde extrem gut angenommen. Unsere arabischen Beiträge werden drei- bis fünfmal so häufig aufgerufen wie die englischen. Inzwischen sind alle Texte auf Arabisch verfügbar und 75 Prozent davon auf Englisch.

Viele englischsprachige Begriffe rund um LGBTI-Themen haben keine direkte Entsprechung im Arabischen, außerdem gibt es neben dem Hocharabischen diverse und sehr unterschiedliche regionale Dialekte. Wie gehen Sie damit um?

Unsere Texte mischen Hocharabisch und Dialekt. Besonders häufig ist der ägyptische Dialekt, den aufgrund der kulturellen Dominanz des Landes besonders viele Menschen verstehen. Da wird die Übersetzung zur Herausforderung. Neben einem Team von Übersetzer*innen haben wir Redakteur*innen, die Originaltext und Übersetzung fact-checken. Dabei achten wir darauf, dass unsere Teams möglichst divers sind: Zwei unserer Übersetzer*innen sind etwa Transfrauen.

Wie wird »My.Kali« in Jordanien aufgenommen?

Zwar ist hier Homosexualität offiziell legal, aber es gibt trotzdem viele Missstände und Tabus. Ich finde es extrem schade, dass wir in öffentliche Debatten und Auseinandersetzungen nicht einbezogen werden.

Zudem ist die Website von My.Kali in Gaza, Katar und auch in Jordanien seit dem Launch der arabischen Version 2016 gesperrt.

Es ist extrem einfach, die Website über gespiegelte Seiten zu erreichen. Wenn die Regierung ihre Macht dadurch demonstrieren will, dass sie die Seite zensiert, sollen sie das machen. Es ist auch nicht unser Job, gegen sie vorzugehen. Die meisten Leser*innen kommen ohnehin über unsere Social-Media-Kanäle zu uns.

Welche Rolle spielen die sozialen Netzwerke für Ihre Arbeit?

Über Social Media erreichen wir auch Menschen außerhalb der urbanen Zentren, besonders die jüngeren Generationen. Auf Instagram werden unsere Storys von mehr als 15 000 Menschen gesehen, auch wenn uns aus Gründen der Anonymität nur rund 10 000 dort abonniert haben. Und interessanterweise agieren Leser*innen mit Beiträgen von uns, die etwas mit Sexualität zu tun haben, am wenigsten. Obwohl sie die meisten Zugriffe generieren.

Wie ist es insgesamt um die queere Medienszene in der Region bestellt?

Auch wenn das manchmal behauptet wird: Wir sind nicht die erste LGBTI-Publikation in der Region und auch nicht die erste, die auf Arabisch erscheint. Aber wir sind wahrscheinlich das Medium, das am längsten ununterbrochen dabei ist. Ein etabliertes queeres Mediennetzwerk gibt es leider nicht. Aber wir versuchen natürlich, mit möglichst vielen relevanten Akteur*innen zu kooperieren.

Kooperiert ihr auch mit anderen Medien in der Region?

Die einzigen arabischen Medien, die über uns berichten, sind Boulevard-Medien. Sie schreiben über Homosexualität, um ihre Klickzahlen in die Höhe zu treiben. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich das irgendwann ändert.

Inwiefern beeinträchtigt Corona Ihre aktuelle Arbeit?

Ich sollte seit Ende März in Amman sein, musste aber meine Reise canceln und bin derzeit in Paris. Unsere Arbeit beeinträchtigt das nicht, da wir ohnehin das Internet nutzen. Es wurden jedoch mehrere Fotoshootings in Ägypten, Jordanien und Paris abgesagt, weshalb wir das Erscheinen unserer bevorstehenden Ausgabe zum Thema Hochzeiten und Eheschließungen verschieben mussten, hoffentlich nur bis Ende Mai.

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