Streubomben auf Schulen

Amnesty International erhebt schwere Vorwürfe gegen Moskau und Damaskus

  • Philip Malzahn
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Vorwürfe wiegen schwer. Der am 11. Mai veröffentlichte Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International nennt »Belege für Russlands direkte Beteiligung an Kriegsverbrechen« anhand einer »detaillierten Untersuchung von 18 Luft-und Bodenangriffen auf Schulen und Krankenhäuser im Nordwesten Syriens«, die mehrheitlich im Januar und Februar 2020 durchgeführt wurden. Russland soll dabei nicht nur als Alliierter der syrischen Regierung agiert haben, sondern in manchen Fällen direkter Ausführer dieser Angriffe gewesen sein.

Insgesamt wurden zu den einzelnen Vorfällen 74 Personen befragt, darunter Binnenflüchtlinge, Ärzte und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die vor Ort arbeiten. Sie alle berichten von grauenhaften Ereignissen, bei denen zivile Einrichtungen teils mittels Streu- oder Fassbomben angegriffen worden seien. Beide Waffentypen sind laut Völkerrecht verboten; ihre Verwendung gilt als Kriegsverbrechen, wie auch das gezielte Angreifen von Zivilisten und zivilen Einrichtungen.

Vanessa Ullrich, Expertin für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International in Deutschland, sagte gegenüber »nd«: »Der Bericht soll in erster Linie der Weltöffentlichkeit eine Dokumentation der in Syrien begangenen Verbrechen zur Verfügung stellen, obgleich er nur einen Bruchteil der insgesamt begangenen Gräueltaten beinhaltet. Er steht in einem größeren Zusammenhang, nämlich dem, dass seit Jahren in Syrien die Zivilbevölkerung systematisch zur Zielscheibe wird, bisher ohne nachhaltige Konsequenzen.«

Die Reaktionen der syrischen und russischen Regierung stehen noch aus. In jedem Fall ist eine weitere Untersuchung der Vorwürfe erforderlich. Bislang hat die internationale Gemeinschaft auf derartige Vorwürfe mit schwerwiegenden Sanktionen reagiert, die im Großen und Ganzen den Handel mit Syrien verbieten. Für den Kriegsverlauf hat das kaum Auswirkungen. Dank russischer und iranischer Unterstützung kontrolliert Syriens einst auf verlorenem Posten geglaubter Präsident Baschar al-Assad weite Teile des Landes. Leidtragende der Sanktionen sind die Menschen, die in den Gebieten, in denen kein Krieg mehr herrscht, nur schwer den Wiederaufbau vorantreiben können.

Neben einer Aufarbeitung der Vorwürfe fordert Vanessa Ullrich vor allem die EU und Deutschland dazu auf, »Druck auf die syrische und russische, aber auch auf die türkische Regierung auszuüben, das Völkerrecht einzuhalten«. Gleichzeitig müsse man mehr Schutzsuchende aus Syrien in der EU aufnehmen. »Außerdem braucht es dringend humanitäre Unterstützung, ob an den EU-Außengrenzen oder in Syrien selbst, für die durch den Konflikt zum Teil mehrfach Vertriebenen, um das riesige Ausmaß an Leid zu reduzieren.«

Die Offensive der syrischen Regierung auf die letzte Rebellenhochburg Idlib wird als »finale Schlacht« im seit 2011 andauernden Syrien-Krieg betrachtet. Die islamistische Hayat Tahrir al-Scham – Bündnis zur Befreiung Syriens – ist die größte und stärkste Rebellenfraktion. Sie ist als internationale Terrororganisation eingestuft; gleichzeitig ist sie wichtigster Verbündete des Nato-Partners Türkei, der im Januar 2018 in Syrien einmarschierte und die Islamisten in ihrem Kampf gegen die Regierung unterstützt.

Der Hayat Tahrir al-Scham wird selbst vorgeworfen, Kriegsverbrechen zu begehen. Es gibt auch Gerüchte, wonach die Islamisten zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser als Schutzschilder für ihre Operationen missbrauchen. Im Amnesty-Bericht wird erwähnt, wie die Gruppe versucht, die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen durch Kontrolle oder Zahlungsforderungen zu behindern und zu beeinflussen.

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