Karlsruher Kompetenzgrenzen

Kurt Stenger über den anhaltenden Streit zum EZB-Verfassungsgerichtsurteil

Dass die polnische Rechtsregierung ein Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichtes beklatscht, kommt eigentlich nie vor. Doch der zweite Senat hat es mit seinem Spruch gegen die Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) geschafft. Kein Wunder, denn Karlsruhes Attacke auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH), der zuvor gegenteilig geurteilt hatte, kommt gut an bei autoritären nationalistischen Kräften, die die EU auch im juristischen Bereich schwächen wollen. Das inhaltlich dürftige Urteil stärkt nicht etwa die Grundrechte, denn die kommen darin gar nicht vor.

Die Bundesregierung hält sich weiter bedeckt, wie sie das Urteil wertet: Will sie dieses bei der EZB durchsetzen oder ist es hinfällig, da die Richter ihre Kompetenzen überschritten haben, denn die Wertung von EU-Recht obliegt nun mal dem EuGH? Kanzlerin Angela Merkel will das Bundesverfassungsgericht nicht kritisieren, erklärt aber auch, die EZB sei unabhängig. In Berlin hofft man, dass diese ihre Erwägungen beim Anleihenkaufprogramm genauer erläutert und damit die Auflage Karlsruhes erfüllt ist.

Das Herumeiern wird nicht mehr lange gutgehen, sollte die EU ein jetzt ins Gespräch gebrachtes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland starten. Es braucht rasch Klarheit, denn sonst geraten zur Freude der politischen Rechten auch die Anti-Corona-Maßnahmen der EZB in Gefahr.

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