Lernen, kulant zu sein

Stefan Otto über den Ausnahmezustand an den Schulen

Es muss ein Missverständnis vorliegen, wenn Leute jetzt behaupten, ein »Coronabonus« werte das Abitur ab, weshalb dieses weniger zu gelten drohe als in den Jahren zuvor. Die Prüfungen werden in jedem Bundesland regulär geschrieben und ebenso gewertet - auch wenn die Voraussetzungen dafür gänzlich unterschiedlich sind: Die hessischen Schüler*innen hatten Glück, sie durften noch unmittelbar vor den Schulschließungen die Klausuren schreiben. In NRW fiel dagegen die gesamte Vorbereitung in die Zeit des Ausnahmezustands. Die Schüler*innen dort legen erst jetzt ihre Abiturprüfungen ab und müssen ungleich resistenter in dieser Situation sein.

Angesichts dieser unterschiedlichen Voraussetzungen schlug der Hochschulverband vor, einen »Coronabonus« zu gewähren. Falls die Noten im Durchschnitt schlechter ausfallen als in den Vorjahren, sollten die Unis bei der Aufnahme in die zulassungsbeschränkten Fächer einen Nachteilsausgleich einführen. Dies ist ein angemessener Umgang mit der derzeitigen Situation: Der Verband versucht, den diesjährigen Abiturient*innen annähernd gleiche Chancen zu gewähren. Ohnehin braucht es jetzt flexible Lösungen, um die Folgen des Lockdowns zu meistern. Die Einführung des Nachteilsausgleichs wäre eine solche: Man hätte sich dazu durchgerungen, ein Dogma umzuwerfen und kulant zu sein. Das wäre nicht wohltätig, sondern einfach gerecht.

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