Zweifel am Paritätsgesetz

Thüringer Verfassungsgericht entscheidet bald, ob quotierte Wahllisten gesetzlich vorgeschrieben werden können

  • Sebastian Haak, Weimar
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Richter des Thüringer Verfassungsgerichtshofs haben Zweifel an den Argumenten der rot-rot-grünen Landesregierung erkennen lassen, nach denen das Paritätsgesetz mit der Landesverfassung und dem Grundgesetz vereinbar ist. Bei einer mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof in Weimar hinterfragten sie am Mittwoch Aussagen und Thesen der Rechtsvertreterin der Landesregierung, Silke Ruth Laskowski, mehrfach betont kritisch.

Das Paritätsgesetz bestimmt im Kern, dass die Parteien für künftige Landtagswahlen jeweils die Hälfte der Plätze auf ihren Wahllisten abwechselnd mit Männern und Frauen besetzen müssen. Es war Mitte 2019 von Linkspartei, SPD und Grünen, die damals noch die Mehrheit im Landtag hatten, verabschiedet worden und Anfang 2020 in Kraft getreten. Die Koalition will damit erreichen, dass in Zukunft mehr Frauen im Landtag vertreten sind. Die AfD-Landtagsfraktion zweifelt die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes an und hat deswegen den Thüringer Verfassungsgerichtshof angerufen. Die Verfassungsrichter wollen ihr Urteil im Sommer verkünden. Auch in Brandenburg ist ein solches, dort ebenfalls heftig umstrittenes Gesetz verabschiedet worden.

Eines der wichtigsten Argumente von Laskowski vor Gericht lautete: Weil die Gesellschaft in Deutschland nahezu genau zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen bestehe, müssten auch in den Parlamenten beide Geschlechter zu gleichen Teilen vertreten sein. Nur so könne man gewährleisten, dass die Perspektiven von Frauen in der Gesetzgebung ausreichend berücksichtigt werden. »Frauen und Männer in unserer Gesellschaft sind unterschiedlich sozialisiert«, sagte Laskowski. Sie seien »unterschiedlich entwickelt«. Die notwendige Parität zwischen Männern und Frauen werde jedoch durch die Realitäten im politischen Leben in Thüringen und Deutschland verhindert. »Die Kandidaturen von Frauen werden systematisch behindert«, sagte Laskowski. In den Parteien gebe es von Männern dominierte Strukturen.

Nicht nur der Verfassungsrichter Klaus von der Weiden machte klar, dass er mit dieser Perspektive ein grundsätzliches Problem hat. Diese »Spiegeltheorie« Laskowskis werfe die Frage auf, warum die Menschen in Deutschland anhand ihres Merkmals »Geschlecht« repräsentativ in den Parlamenten vertreten sein sollten - und nicht etwa anhand ihrer Herkunft oder ihres Berufs.

Die Verfassungsrichterin Elke Heßelmann ging noch weiter: Wenn es um frauenfreundliche Positionen in der Politik gehe, könne man zwar hoffen, dass Frauen solche Positionen vertreten würden. Es gebe dafür aber keine Garantie. Es sei durchaus denkbar, dass auch Frauen nicht-frauenfreundliche Haltungen hätten. Insofern lasse sich aus der reinen Zahl von Frauen in der Politik noch nicht mit Sicherheit etwas darüber aussagen, wie sich die Gesetzgebung verändere.

Gerichtspräsident Stefan Kaufmann stellte die Frage, ob nicht in einer Gruppe aus vier Frauen und einem Mann auch die Perspektive der Männer vertreten sei. Laskowski erwiderte: Die Vergangenheit habe gezeigt, dass Argumente von Frauen nur ernst genommen worden seien, wenn viele Frauen sie vertreten hätten. Als in den 90er Jahren die Vergewaltigung in der Ehe zu einer Straftat erklärt wurde, sei das nur gelungen, weil sich zahlreiche Frauen dafür eingesetzt hätten.

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