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Teilerfolg für Feldarbeiter in Bornheim
Lohnabhängige wurden in »Wildwest-Manier« ausgezahlt. Rumänische Arbeitsministerin bietet Perspektive
In der vergangenen Woche hatte auf dem insolventen Spargel- und Erdbeerhof Ritter in Bornheim bei Bonn ein wilder Streik von vor allem rumänischen Feldarbeitern begonnen. Die Saisonarbeiter protestierten dagegen, dass ihre Beschäftigung auf dem Hof nach wenigen Wochen enden und sie mit wenigen Hundert Euro nach Hause geschickt werden sollten. Sie hatten sich auf einen Aufenthalt von drei Monaten in Deutschland eingestellt, bei dem sie 1500 bis 2000 Euro pro Monat verdienen können. Die Geschicktesten sogar noch mehr. Denn die Spargel- und Erdbeerernte wird nach Akkord bezahlt.
Das plötzliche Arbeitsende und die miserablen Zustände, unter denen sie in Containern untergebracht wurden, sorgten für Frust. Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft FAU (Freie Arbeiter*innen-Union) unterstützte die Proteste der Saisonarbeiter und organisierte einige von ihnen, um sie gewerkschaftlich vertreten zu können.
Am Montag sollte die Auszahlung der Feldarbeiter beginnen. Die FAU wollte dabei sein und hatte einen Arbeitsrechtler auf den Hof geholt. Doch die Auszahlung verzögerte sich. Nach langen Verhandlungen wurden Arbeiter, die auf einer Liste standen, in Kleingruppen in das Lohnbüro geführt. Begleitet vom Anwalt der FAU empfingen sie dort Geld für die bisher geleistete Arbeit. Daraus entwickelte sich viel Frust. Die Menschen gaben teilweise an, dass ihnen Beträge von wenigen Euro angeboten wurden, obwohl sie seit mehreren Wochen auf den Feldern arbeiteten. Als die Auszahlung am Abend beendet wurde, hatten viele Feldarbeiter noch keinen Euro gesehen. Die Situation drohte zu eskalieren. Ein mit der Auszahlung beauftragter und auf Insolvenzen spezialisierter Unternehmensberater wurde von einem Sicherheitsmann vom Hof gefahren. Polizisten sorgten dafür, dass die wütenden Arbeiter nicht zu nah an das Auto kamen.
Am Dienstag versuchten FAU und Saisonarbeiter, den Druck zu verlagern. In der Bonner Innenstadt führten sie eine Kundgebung vor dem Büro des Insolvenzverwalters durch und zogen anschließend zum rumänischen Konsulat. Dort wurde eine Delegation empfangen. Der Konsul sicherte seine Unterstützung zu und sorgte dafür, dass die rumänische Arbeitsministerin Victoria Violeta Alexandru am Mittwoch nach Bonn und Bornheim reiste. Alexandru von der liberal-konservativen Partidul National Liberal befand sich ohnehin auf einem Deutschlandbesuch, bei dem sie sich in Gesprächen mit den Bundesministern Hubertus Heil (SPD) und Julia Klöckner (CDU) für bessere Arbeitsbedingungen der Saisonarbeiter einsetzte. Unter anderem forderte sie, dass Arbeitsverträge übersetzt werden und den Menschen schon in Rumänien vorgelegt werden sollen. Für die Feldarbeiter in Bornheim erzielte sie auch Erfolge. Am Mittwoch wurden sie ausgezahlt und eine Vermittlung auf andere Betriebe organisiert.
Die FAU kritisierte die Auszahlungsmodalitäten scharf. Es sei dabei in »Wildwest-Manier« zugegangen. Die Arbeiter seien in Zehnergruppen aufgeteilt und mit Bussen an verschiedene Orte gefahren worden. Dabei seien sie von Sicherheitsleuten »aus dem Rockermilieu« begleitet worden. Der Gewerkschaft wurde die Anwesenheit bei der Auszahlung verwehrt. Nur ein Anwalt durfte dabei sein. Die FAU fordert weiterhin, dass die Arbeiter einen Lohn für drei Monate bekommen und ihnen Krankengeld ausgezahlt wird.
Viele Feldarbeiter waren allerdings zufrieden mit dem ausgezahlten Lohn und der Weitervermittlung an andere Betriebe. Große Gruppen reisten noch am Dienstag auf Höfe in Belgien und Rheinland-Pfalz. Bei der Vermittlung an die anderen Höfe erlebte auch die FAU einen kleinen Freudenmoment. Eine Gruppe von Arbeitern hätte sich vor dem Wechsel auf einen anderen Hof die dortigen Unterbringungs- und Arbeitsmöglichkeiten angeschaut. »Die wissen jetzt, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss«, erklärte ein Sprecher der FAU. Doch der Fall Bornheim ist noch nicht ganz abgeschlossen: Gut 30 Menschen sind dort noch immer und haben keinen Lohn erhalten. Die Gewerkschaft fürchtet, dass die restlichen Arbeiter betrogen werden könnten. Außerdem steht ein langwieriges arbeitsrechtliches Nachspiel an, das die FAU begleiten will.
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