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Zurück an die Arbeit

Auch die Profibasketballer dürfen bald ihre Saison beenden. Im Unterschied zu den Fußballern begeben sie sich allerdings komplett in Quarantäne

Bei all dem Hin und Her in den vergangenen Wochen kann man schon mal vergessen, welcher Tag gerade ist. So stand Jonas Mattisseck am Donnerstag plötzlich vorm verschlossenen Supermarkt. Himmelfahrt. Also schnell wieder ab nach Hause. Der Basketballprofi von Alba Berlin, der es gewohnt ist, alle drei Tage in einer anderen Stadt zu spielen, sieht derzeit nicht viel von der Welt. Trainingshalle - ab nach Hause - Supermarkt - ab nach Hause - Trainingshalle - und so weiter. »Wir fahren unser soziales Leben aufs Minimum runter. Zu dem Minimum gehört noch, einkaufen zu gehen. Natürlich nur mit Maske und Desinfizieren der Hände. Da passen wir sehr auf«, erzählt Mattisseck. Will er seinen Beruf wieder aufnehmen, muss er das auch tun.

Immerhin dürfen die Basketballer wieder spielen und im Juni ihre Meisterschaft beenden. Bayerns Landesregierung gab für das Finalturnier in München diese Woche Grünes Licht, als sie das 48-seitige »Konzept für den Sonderspielbetrieb zur Wiederaufnahme der Saison« der Basketball-Bundesliga (BBL) absegnete. Es orientiert sich an dem der Fußballer, geht aber noch darüber hinaus. Statt einer Woche Quarantäne vor dem ersten Spieltag, wird die BBL alle zehn Mannschaften in einem Münchner Hotel über die komplette restliche Spielzeit komplett abschirmen.

Zentrale Punkte des Hygiene- und Spielplans der BBL

Ab dem 6. Juni werden noch 35 statt der vor der Corona-Pause geplanten ca. 130 Spiele absolviert. Das Finalrückspiel soll am 28. Juni ausgetragen werden.

In der 1. Runde spielt in zwei Fünfergruppen jeder gegen jeden. Die jeweils ersten vier Teams kommen weiter.

Ab dem Viertelfinale gibt es je ein Hin- und Rückspiel.

Drei Wochen lang wird daheim trainiert, allerdings erst nach mindestens zwei negativen Covid-19-Tests eines Spielers. Rückkehrer aus dem Ausland müssen zunächst in Quarantäne.

Alle Außenkontakte müssen protokolliert werden.

Über Maßnahmen nach positiven Tests entscheiden die Gesundheitsämter, nicht die Klubs oder die Liga.

Danach kommen die zehn Teams mit je maximal 22 Spielern und Betreuern plus Schiedsrichter zum Finalturnier in München zusammen und begeben sich in ein Hotel in Quarantäne. Alle beziehen Einzelzimmer.

Das restliche Personal trägt in der Halle Mundschutz und wird von den Aktiven getrennt. Fiebermessung ist Pflicht.

Fans sind nicht zugelassen, auch nicht vor der Halle. ok

Los geht’s am 6. Juni, nach 35 Spielen in einem abgeänderten Playoff-Format steht drei Wochen später der neue deutsche Meister fest. Die jeweils 22 Spieler und Betreuer werden regelmäßig auf das neuartige Coronavirus getestet. Bis jetzt waren alle Ergebnisse negativ - mit Ausnahme eines aus dem Ausland zurückgekehrten Spielers, der laut BBL noch keinen Kontakt zum Team hatte und isoliert wurde. Die Liga will für die Tests keine Laborkapazitäten nutzen, die für die Bevölkerung benötigt werden. Sollten die Fallzahlen im Land wieder steigen, wäre also der Abbruch der Saison »eine akzeptierte Konsequenz«, heißt es im Konzept.

BBL-Geschäftsführer Stefan Holz kündigte am Donnerstag eine Zusammenarbeit mit Handballern und Eishockeyspielern an. Er wolle das eigene Hygienekonzept mit allen Hallensportarten teilen. Die haben zwar ihre Meisterschaften längst abgebrochen, müssen die neue Saison im Herbst vermutlich aber auch noch ohne Fans und mit Minimalbesetzungen beginnen. Da wird jede Erfahrung helfen, die die Basketballer schon jetzt machen.

Dass sie zuerst wieder auf der Bildfläche auftauchen, ist für Bundestrainer Henrik Rödl eine einmalige Gelegenheit: »Das ist eine ganz besondere Chance für den Basketball, Aufmerksamkeit zu generieren«, sagte Rödl dieser Tage dem Sportinformationsdienst.

Derweil müssen sich seine Nationalspieler in vielen Dingen umgewöhnen. Sie duschen nur daheim oder im Hotel und trinken aus personalisierten Flaschen. Sie desinfizieren ständig ihre Hände. Und sie verzichten auf das im Basketball übliche Abklatschen. »Das muss man sich schon abgewöhnen«, sagt Jonas Mattisseck. »Es ist ungewohnt, aber Lob und Aufmunterung kann man ja auch mal verbal geben.«

Viel schwieriger ist die Selbstisolation, die schon langsam beginnt. Mit der Freundin treffe sich der Alba-Spieler nur mit Abstand zum Spazierengehen. »Das muss sein. Man freut sich nicht drüber, aber fürs Spiel macht man alles«, sagt der 20-jährige Point Guard.

Beschweren will er sich nicht. Zuletzt hatte Danilo Barthel vom FC Bayern München moniert, dass die Spieler in die Konzeptentwicklung nicht involviert worden waren: »Ich glaube, dass es immer hilfreich ist, so viele Perspektiven wie möglich zu haben, um die beste Lösung zu finden. Da hätte es bestimmt geholfen, wenn man sich die Meinung der Spieler eingeholt hätte«, sagt auch Mattisseck. »Aber letztendlich respektieren wir alle die Entscheidung. Die Situation war für alle neu, daher sollte man jetzt nicht kritisieren, wie alles abgelaufen ist.«

Besucher empfängt Mattisseck in seiner Wohnung nicht mehr. In München muss er ja auch in ein Einzelzimmer. Bei zwei Stunden Training an spielfreien Tagen bleibt dann viel Zeit allein. »Ich hab mir schon ein paar Bücher und Puzzle zurecht gelegt«, berichtet der Berliner, für den die Situation nicht komplett neu sein werde. »Ich habe die letzten vier Sommer mit den Nachwuchs-Nationalteams ähnliche Erfahrungen gemacht. Klar ist es etwas anders jetzt, weil man gar nicht raus darf, aber es ist doch so ähnlich wie eine EM: Man spielt ein Turnier und lebt nur mit dem Team über Wochen im Hotel.«

Bei den Spielen wird es jedoch viel leiser werden, denn die Fans müssen zu Hause bleiben. »Die Atmosphäre wird komisch sein, aber es ist dennoch toll, wenn es wieder losgeht. Vielen Klubs hilft dieses Turnier«, sagt Alba Berlins Sportdirektor Himar Ojeda. Der Spanier erinnert sich mit Schrecken an die Finanzkrise 2008/09, die seine Heimat und auch den Sport hart getroffen hat. Zuvor habe es dort zum Beispiel viele professionelle Volleyballer gegeben, sagt Ojeda. »Die Krise hat vielen Klubs die Existenz gekostet, und noch immer gibt es kaum professionelle Volleyballer mehr in Spanien.« Die BBL versuche nun abzusichern, dass sich junge Basketballer auch in Zukunft ihren Traum erfüllen können. »Also müssen wir dieses Business am Leben erhalten«, argumentiert Ojeda.

Bis auf Makai Mason und Rokas Giedraitis habe er alle zuletzt im Ausland weilenden Spieler zurückholen können. Die beiden sollen auch bald kommen. Zuvor hat der Sportdirektor viel Überzeugungsarbeit leisten müssen: »Es war zunächst viel unklar. Jeder bekam dort, wo er gerade war, andere Informationen. Ich habe mit ihnen gesprochen und Mails geschrieben, in denen ich das Konzept erläutert habe. Jetzt, da sie hier sind, verstehen sie besser, wie es abläuft.«

Eine Weigerung zu spielen hätte er wohl kaum akzeptieren können: »Das muss jeder für sich entscheiden. Generell gilt: Wir müssen zurück an die Arbeit gehen. Das ist unsere Verantwortung, so lange die Umstände sicher sind; und das sind sie in Berlin. Alle kommen zurück zur Arbeit: Die Leute im Supermarkt gehen seit Monaten zur Arbeit.« Auch die Spieler stehen offenbar in der Pflicht, das Business am Laufen zu halten.

Jonas Mattisseck musste nicht überredet werden. »Es fühlt sich gut an, wieder ein Ziel zu haben, auf das man hin traininert. Ich mag ja meinen Job, also freu ich mich, wenn ich ihn ausüben kann.«

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