- Politik
- Koreakrise
Covid-19 sorgt für Tauwetter
Nord- und Südkorea suchen in der Krise verstärkt den Austausch
»Wir müssen weiter den Kontakt suchen, auch wenn es einige Widerstände geben mag. Wir können nicht einfach darauf warten, dass die USA etwas tun.« Die Worte von Im Jong-seok waren deutlich. In einem Interview mit dem Magazin Changbi Quarterly Ende Mai forderte der ehemalige Präsidialamtschefsekretär von Südkorea, dass sein Land endlich unabhängig vom wichtigen nordamerikanischen Alliierten handle. Schließlich seien sich die zwei Koreas, die seit dem dreijährigen Koreakrieg ab 1950 nur durch einen Waffenstillstand Beziehung halten, ohnehin näher.
Im bot auch gleich an, für sein Vorhaben wieder Verantwortung zu übernehmen. Gerade jetzt seien Austausch und Annäherungen wichtig.
In Zeiten von Covid-19 breitet sich im Südkorea schon über Wochen ein Gefühl der Sorge für den eigentlich verfeindeten Bruderstaat aus. Während sich nämlich Südkorea zuletzt zum weltweiten Vorbild im Krisenmanagement gemacht hat, wird über Nordkorea gerätselt. Kann es wirklich wahr sein, dass es dort noch keinen einzigen Infektionsfall gibt, wie es gegenüber der Weltgesundheitsorganisation bisher gemeldet wurde?
Über die Lage in Nordkorea herrscht schon länger Unklarheit. Dass es keinen einzigen Infektionsfall gibt, wird zumindest dadurch glaubhafter, dass schon ab Ende Januar die Landesgrenzen zu China und kurz darauf auch zu Russland geschlossen wurden. Allerdings berichtete das südkoreanische Fachmedium »Daily NK« Anfang März mit Berufung auf eine anonyme Quelle, dass an die 200 Soldaten entlang der Grenze zu China Fiebersymptome gezeigt hätten.
Was wohl klar ist: Sollte das Virus in Nordkorea grassieren, könnten die Folgen für das Land und sein schwaches Gesundheitssystem verheerend sein. Im internationalen Gesundheitsindex der Johns Hopkins University belegt Nordkorea von 195 Ländern Platz 193. Und womöglich ist das Virus tatsächlich schon im Land. Der US-amerikanische Sender Radio Free Asia berichtete Mitte April, dass nordkoreanische Behörden öffentliche Vorträge über Covid-19 gehalten hätten. Die Bevölkerung wurde demnach darüber informiert, dass seit März Fälle im Land festgestellt worden sind. Die Regionen um die Hauptstadt Pjöngjang, das fast an Südkorea angrenzende Süd-Hwanghae sowie das an der Nordgrenze gelegene Nord-Hamgyong seien betroffen.
Unterdessen steigt in Südkorea, das vor wenigen Wochen noch mit einer Rakete aus dem Norden bedroht wurde, die Hilfsbereitschaft. Ende April verkündete die Regierung, dass sie einer Nichtregierungsorganisation (NGO) genehmigt hatte, 20 000 Schutzanzüge im Wert von rund 160 000 US-Dollar nach Nordkorea zu verschicken. Kurz zuvor hatte die Regierung schon die Sendung von Desinfektionsmittel für die Hände genehmigt.
Dabei ist zu erwarten, dass die Leistungen, die an den Norden gehen, noch nicht am Ende sind. Yoon Sang-hyun, Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses für Außenpolitik, sagte zuletzt: »Jetzt ist die Zeit, um ein Kooperationssystem aufzubauen, das gegen Konflikt ausgerichtet ist. (…) Wir müssen eine breitflächige Quarantänekooperation durch die offiziellen Kanäle einrichten.« Außerdem sei zu überlegen, ob Südkorea nicht auch medizinisches Personal in den Norden schicken könne. Die Hilfslieferung von Handdesinfektionsmittel nach Nordkorea wurde unterdessen vergangene Woche mit Fotos aus Nordkorea verkündet.
Zudem könnten die beiden Koreas bald gemeinsam gegen das Virus angehen. Jedenfalls wird auch diese Forderung lauter. Der Südkoreaner Kim Jin-hyang, Direktor des in Nordkorea gelegenen Industriekomplexes Kaesong, betont seit einigen Wochen, dass die von ihm verwaltete Anlage binnen kurzer Zeit sechs Millionen Sicherheitsmasken pro Tag herstellen könnte. Der Komplex Kaesong, wo einst südkoreanische Betriebe mit nordkoreanischem Personal Produkte fertigten, wurde 2016 inmitten diplomatischer Spannungen außer Betrieb genommen. Dass die Anlage bald tatsächlich wieder hochgefahren wird, ist nun zumindest dadurch etwas wahrscheinlicher geworden, dass Südkorea erst am Freitag erklärte, die zwei Koreas durch Bahnschienen verbinden zu wollen.
Es sind also nicht nur südkoreanische Bürger, die den Menschen im Norden helfen wollen. Auch die Regierung sucht wieder den Austausch.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.