Söldner für Haftar
UN enttarnen Geheimmission vor der Küste Libyens
New York. Der verworrene Konflikt in Libyen ist längst zu einem Stellvertreterkrieg einer Reihe von einflussreichen Ländern geworden. Eine von UN-Experten enttarnte Geheimmission privater westlicher Einsatzkräfte verdeutlicht nun, wie das chaotische Land immer mehr zum Spielball im internationalen Machtkampf wird. Es geht um dubiose Sicherheitsfirmen, die einen libyschen Warlord unterstützen, geschmuggelte Hubschrauber und geplante Überfälle auf Schiffe im Mittelmeer. Die Deutsche Presse-Agentur konnte den knapp 80 Seiten langen, vertraulichen Bericht einsehen.
Ende Juni 2019 stiegen demzufolge mindestens 20 Personen im jordanischen Amman in eine Frachtmaschine des Typs Turboprop. Sie kommen aus Australien, Frankreich, Malta, Südafrika, dem Vereinigten Königreich und den USA. Offiziell sind sie im Auftrag der Wissenschaft unterwegs und sollen in Libyen »geophysikalische und hyperspektrale Untersuchungen« im Auftrag Jordaniens ausführen. Doch der UN-Bericht nennt das eine »Vertuschungsgeschichte«. Es handelt sich den Informationen zufolge um Mitglieder privater Militärfirmen, ihr Plan ist weit weniger friedlich.
Ihr Ziel ist Bengazi im Osten des Bürgerkriegslandes. Bengazi ist die Hochburg des mächtigen Generals Khalifa Haftar, der vor mehr als einem Jahr eine Offensive auf die Hauptstadt Tripolis im Westen gestartet hat und dort die international anerkannte Einheitsregierung des Landes stürzen will. Zu seinen Verbündeten zählen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Russland, Frankreich und Ägypten. Immer wieder gab es Berichte über Lieferung von Waffen. Ein UN-Bericht kam jüngst zu dem Schluss, dass sich bis zu 1200 Paramilitärs einer russischen Sicherheitsfirma im Land befänden. Laut Berichten libyscher Medien und der Nachrichtenagentur Reuters befinden sich diese jedoch seit dem Wochenende auf dem Rückzug, denn der Marsch Haftars auf Tripolis blieb trotzdem stecken, was auch an der ausländischen Unterstützung für die Einheitsregierung lag: Regierungschef Fajis Al-Sarradsch hat Italien, Katar und die Türkei auf seiner Seite. Unverhohlene Waffenlieferungen aus Ankara trotz eines geltenden UN-Embargos für das ganze Land sind gut dokumentiert.
Hier kommen die eingeflogenen Einsatzkräfte ins Spiel, die von den Experten ausdrücklich nicht als »Söldner« bezeichnet werden. Sie sollen demnach den Waffennachschub aus der Türkei abfangen. »Das Gremium ist der Ansicht, dass ein Ziel von Projekt Opus darin bestand, Haftar mit der Fähigkeit auszustatten, den Seeweg für Waffen von der Türkei zur Einheitsregierung in Tripolis zu unterbrechen«. Das belege auch eine ausgewertete Unterhaltung Beteiligter: In ihr heiße es, die Aufgabe sei es, »feindliche Versorgungsschiffe zu betreten und zu durchsuchen«.
Doch schon am 2. Juli - keine Woche nach ihrer Ankunft - brach ihr Anführer die Operation plötzlich ab. Noch am Abend bestieg die Gruppe Schlauchboote im Hafen von Bengazi. Nach einer 15-stündigen Fahrt bei Nacht über das Mittelmeer kam sie in Valetta auf Malta an. Die Hintergründe bleiben auch für die Experten rätselhaft: »Das Gremium hat den Grund für die Evakuierung und das Zurücklassen von Vermögenswerten in Libyen noch nicht ermittelt.«
Offen lässt der Bericht, wer letztlich verantwortlich für das »Projekt Opus« war. Geplant und durchgeführt wurde die Operation laut Bericht in mindestens acht Ländern: Den Emiraten, Jordanien, Malta, Libyen, Angola, Botsuana, Südafrika und den USA. Dabei seien mindestens zehn Unternehmen aus drei Ländern - den Emiraten, den Britischen Jungferninseln und Malta - beteiligt gewesen. Eine weitere Firma in Südafrika soll unter anderem die Identität der Drahtzieher verschleiert haben. dpa/nd
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